Todesgarten
geschwiegen,
ehe er sie an der U -Bahn abgesetzt hatte, damit er
direkt zum Kink Klub weiterfahren konnte. Dorthin, wo die Jungs die ganze Nacht
am Tresen hockten und seine Oberarme angafften.
Sie zog ihre Schuhe an und griff nach der Jacke. Dann
steckte sie den Kopf durch die Schlafzimmertür.
»Ich ruf dich später an«, sagte sie. »Viel Spaà bei
der Arbeit heute Nacht.«
»Anna! Warte!«
Er hatte die Playstation ins Kissen geworfen und war
aufgesprungen. Mit einem schelmischen Grinsen blinzelte er gegen das Sonnenlicht
und hüpfte aus dem Bett.
»Wenn du deine Uniform anbehältst, kannst du mich
morgen früh nach der Arbeit festnehmen. DrauÃen vorm Klub.« Er kam auf sie zu.
»Es fällt doch bestimmt keinem auf, wenn du Handschellen und Gummiknüppel
mitgehen lässt, oder? Ich werde mich nicht wehren.«
Dann zog er sie zu sich heran und vergrub das Gesicht
in ihren Haaren. Er schnurrte wie eine Raubkatze. Anna löste sich aus seiner Umklammerung
und ging zur Tür.
»Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst. Am Ende
geht es noch in Erfüllung.«
»War das eine Drohung oder ein Versprechen?«
Sie warf ihm ein Lächeln zu und trat in den Hausflur.
Da hielt er sie am Arm fest. Der schelmische Ausdruck war verschwunden. Er zog
sie heran und flüsterte in ihr Ohr: »Danke für die Warnung neulich, Anna. Das habe
ich nicht vergessen.«
Bisher hatten sie die Razzia mit keiner Silbe erwähnt.
Beide hatten so getan, als hätte es Annas Anruf gar nicht gegeben. Ihr wäre
lieber gewesen, sie hätten es dabei belassen. Es war, als könnte sie den
Vorfall dadurch ungeschehen machen.
»Sag mal, Anna, kannst du rausfinden, von wem der
Hinweis an die Drogenfahndung gegangen ist?« Ohne diesen Hinweis wäre die Polizei
gar nicht aktiv geworden. Tom flüsterte: »Ist es überhaupt möglich, so etwas
rauszufinden?«
Sie wusste nicht, ob es möglich war. Aber das schien
auch nicht die eigentliche Frage zu sein.
Denk nicht mal darüber nach, sagte sie sich. Du darfst
dich nicht darauf einlassen. Auf gar keinen Fall.
Tom vor der Razzia zu warnen, das war im Affekt passiert.
Da hatte sie nicht nachgedacht und einfach gehandelt. Doch so konnte das nicht
weitergehen. Damit würde sie gegen ihre Prinzipien handeln. AuÃerdem riskierte
sie ihren Job.
Sie blickte ihn prüfend an. Doch da war nichts in
seinen Augen, was sie zweifeln lieÃ. Er versuchte nicht, sie auszunutzen. Er
würde auch ein Nein akzeptieren. Es würde nichts an ihrer Beziehung ändern,
sagte der Blick.
»Ich muss erst darüber nachdenken.«
Dann lief sie zum Aufzug und verschwand aus seinem
Sichtfeld.
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Ungefähr so hatte Michael sich das vorgestellt. Die
Pension Berlin hatte die perfekte Lage: schräg gegenüber vom Kink Klub, und von
mindestens drei Zimmern aus lieà sich das Gelände rund um den Klub überblicken.
Er parkte knapp hundert Meter weiter unter einer Kastanie. Dann zog er den Schlüssel
ab und betrachtete das Gebäude.
Ihm war klar, dass er sich in groÃe Schwierigkeiten
brachte. Er hätte Wolfgang anrufen und ihm alles erzählen sollen. Vielleicht
hätte sich damit das Ãrgste noch abwenden lassen. Natürlich war es falsch, was
er tat, das wusste er. Aber irgendwie spielte das gar keine groÃe Rolle mehr.
Es ging hier nun mal um Daniel und ihn.
Am besten verschwendete er gar keine Gedanken an die
Konsequenzen, die alles haben würde. Spätestens jetzt war es ohnehin zu spät.
Er hatte den letzten möglichen Zeitpunkt verpasst, Wolfgang einzuweihen.
Mit einem Blick in den Rückspiegel prüfte er, ob ihn
einer beobachtete. Dann zog er die Sachen hervor, die er für seinen kleinen
Plan benötigte: einen Werkzeugkoffer, ein nagelneues Paar Turnschuhe,
Einweghandschuhe, Sonnenbrille und ein Baseballcap.
Als Erstes setzte er das Basecap auf und zog es tief
ins Gesicht. Dann schlüpfte er in die Schuhe, deren Sohlen in der Pension keine
verwertbaren Spuren hinterlassen würden. Brille und Handschuhe stopfte er in
die Jacketttasche, und den Werkzeugkasten nahm er unter den Arm. Seelenruhig
schloss er den Wagen ab und schlenderte auf die Pension zu. Wie es aussah, gab
es keine Zeugen. Die StraÃe war menschenleer.
Die Pension befand sich in einem Haus aus der Vorkriegszeit.
Es hatte hohe Fenster und eine prachtvolle Stuckfassade. Links und rechts waren
Brachen, die
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