Todesgier - Thriller
begegnen.«
»Ich sage allen Bescheid«, versprach Lucas.
Lucas Davenport war groß gewachsen, dunkelhaarig und am Ende des Sommers tief gebräunt. Die Bräune ließ seine blauen Augen, die Adlernase und die Narben im Gesicht besonders deutlich hervortreten - eine lange schmale, die sich wie eine Angelschnur durch eine Braue schlängelte, und eine kreisförmige um seinen Hals mit einer senkrechten Linie hindurch wie bei dem griechischen Buchstaben Phi. Sie erinnerte an eine Kugel aus einer.22er und den Luftröhrenschnitt, mit dem ihm Weather mittels eines Taschenmessers das Leben gerettet hatte.
»Und?«, fragte Weather.
»Ein Redneck aus Oklahoma mit einem.50er Sniper-Gewehr. Gehört zu den Eighty-Eights. Die Kollegen machen sich Sorgen.«
»Wer sind die Eighty-Eights?«
»›H‹ ist der achte Buchstabe im Alphabet, folglich steht ›eighty-eight‹, also Doppel-H, für ›Heil Hitler‹«, antwortete Lucas. »Manche Typen lassen sich das auf den Schädel tätowieren.«
»Dann würde ich mir an Dan Jacobs’ Stelle auch Sorgen machen«, erwiderte Weather.
»Ja. Die Leute vom ATF behalten ihn im Auge, wahrscheinlich auch der Secret Service. Ich soll mich mit den Leuten in Wisconsin und im Stadteinzugsgebiet in Verbindung setzen und auf ihn achten. Ich hänge mich heute noch an die Strippe, um ein paar Deputies zu aktivieren.«
»Viel Glück.« Je länger sie zusammen waren, desto weniger glaubte Weather, dass wachsame Cops die bösen Jungs in einer Menge entdecken konnten. Sie näherte sich allmählich Lucas’ Sichtweise an: Es war alles Chaos, Zufall, Dummheit, Wahnsinn.
Sie überquerten den St. Croix River, die Grenze zu Minnesota, und fünfundzwanzig Minuten später erreichten sie ihr hell erleuchtetes Haus. Aus der Garage hörten sie das fröhliche
Lachen ihrer Pflegetochter Letty, die mit Sam eine Art Volleyball spielte und versuchte, einen Schwamm über eine Schnur zu befördern.
Als Sam Weather und Lucas sah, war es vorbei mit seiner Aufmerksamkeit. Letty ermahnte ihn, nicht immer gleich aufzuhören. »Nein-nein-nein« rufend, rannte er zu Weather.
Perfekt, dachte Lucas, einfach perfekt. Der Junge war intelligent und sportlich und bestimmt der hübscheste Hosenmatz im gesamten Einzugsgebiet von Minneapolis-St. Paul. Und Letty wuchs zu einer interessanten jungen Frau heran. Ihre Mutter war bei einem Fall, den Lucas bearbeitet hatte, ermordet worden; er war von Letty so angetan gewesen, dass er sie kurzerhand zu Weather mit nach Hause genommen hatte.
Nun wurde sie allmählich erwachsen, und Lucas und Weather bemühten sich um ihre Adoption, so dass sie endlich Letty Davenport werden konnte. Sie gab sich unbeteiligt, fragte aber ein- oder zweimal die Woche: »Na, wie geht’s voran?«
Lucas brachte die winzige Kühltasche aus Stoff - eine größere passte nicht in seinen Porsche - und Weathers kleine Reisetasche ins Haus, umarmte Letty, zerzauste Sam die Haare, ließ sich von Ellen ein Stück Blaubeerkuchen geben, ging ins Arbeitszimmer und fuhr den Computer hoch.
Die Informationen über Justice Shafer waren bereits als E-Mail-Datei in seinem Büro im Staatskriminalamt, kurz SKA, eingetroffen. Er öffnete und las sie, während er den Kuchen aß.
Shafer sah aus wie Cole Younger oder Jesse James auf einem verblichenen Foto: Haare wie Stroh, Sommersprossen, helle Augen, knochiges Gesicht, als hätte er als Kind nicht genug zu essen bekommen und niemals Babyspeck auf den Rippen gehabt. Auf dem Bild stand er am hinteren Ende eines Pick-ups, eine Pumpgun in den Händen, ein Haufen toter
Eichhörnchen auf der Ladefläche. Die Zungenspitze lugte aus dem Mundwinkel, was ihn gleichzeitig dumm und ein bisschen verrückt wirken ließ.
Seine Akte zeugte von einem Leben voller Probleme: kein Highschool-Abschluss; Jugendhaftstrafe wegen Diebstahls; Eignungstests für Marines und Army nicht bestanden. Wahrscheinlich hatte er ein paar Tankstellen ausgeraubt, ohne erwischt zu werden. Und er trieb sich mit dem Clan, einer Neonazi-Bikergang aus dem Mittleren Westen, herum, die immer wieder mit anderen Neonazi-Gruppen und Chicano-Banden aneinandergeriet.
Lucas formatierte die Datei nach seinen Bedürfnissen und rief dann den diensthabenden Beamten des SKA an, damit dieser sie an die Sheriffs in Minnesota und im westlichen Wisconsin weitergab.
Anschließend machte er sich Gedanken über den Parteitag der Republikaner.
In den Monaten vor der Nominierung John McCains zum Präsidentschaftskandidaten hatte
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