Todesgier - Thriller
knallt dich ab. Und mich kennt er nicht.«
»Soweit du weißt.«
»Hmmm.« Del gähnte. »Jedenfalls hab ich noch nie gehört, dass ein Polizist von jemandem umgebracht worden wäre, der ihn vorgewarnt hat.«
»Ist wahrscheinlich trotzdem schon mal irgendwo passiert«, erwiderte Lucas.
»Alles ist schon mal irgendwo passiert.«
Del war ein wettergegerbter Mann Ende vierzig, trug Jeans und ein Pennzoil-T-Shirt mit Ölflecken darauf, Red-Wing-Arbeitsstiefel sowie eine altmodische Bauchtasche. Um seinen Hals hing eine Handy-große Digitalkamera, und in der Tasche steckte ein.38er Revolver. Er war auf den Straßen um das Parteitagszentrum unterwegs gewesen.
»Was läuft da draußen?«, erkundigte sich Lucas.
»Das Übliche: junge und alte Leute, auch ein paar Arschlöcher, aber die meisten sind Freizeitdemonstranten. Die Alten erinnern mich an meine Mom. Singen immer noch die Lieder aus den Sechzigern.«
»Ein paar Arschlöcher?«
»Ja«, bestätigte Del. »Vandalen mit rot-schwarzen Fahnen und Steinschleudern. Typen, die zum Spaß randalieren. So zwanzig Leute kenn ich schon, die wir vorübergehend einbuchten sollten. Dann würde der Parteitag friedlich verlaufen.«
»Der Sheriff von Ramsey County organisiert gerade eine Razzia und möchte morgen Abend einige Störenfriede dingfest machen. Sagt er jedenfalls.«
»Hier?«
»Nein, drüben in Minneapolis. Deshalb ziehen sie Cops von dort zusammen.«
Nun erzählte Lucas Del von dem Mann mit dem Sniper-Gewehr, und Del sagte kopfschüttelnd: »Das fehlt uns grade noch.«
»Macht’s Spaß da draußen?«, fragte Lucas.
»Ja. Ich rede gern mit den Leuten. Die meisten sind ganz anständig. Sogar die Arschlöcher finde ich interessant.«
»Ich würde auch gern raus.«
»Dir sieht man den Bullen sofort an - am Ende verwechseln sie dich noch mit einem Republikaner.«
»Oje.«
»Doch. Gib dir mal Mühe, diesen Teil deiner Ausstrahlung zu unterdrücken«, empfahl ihm Del. »Ich könnte dir Klamotten leihen.«
Lucas verdrehte die Augen. »Lieber nicht.«
Davenport liebte gute Kleidung. An jenem Morgen trug er eine leichte karierte Sportjacke über einem eisblauen, langärmligen Hemd, eine italienische schwarze Hose aus Sommerschurwolle und englische Halbschuhe.
Als Carol hereinrief: »Lily Rothenburg auf Leitung zwei«, sagte Lucas zu Del: »Ich muss telefonieren.«
»Geh ran. Falls das Lily ist, bleib ich auf jeden Fall hier«, erklärte Del.
»Verpiss dich.« Lucas und Lily waren einmal kurz das Tagesgespräch gewesen, nicht zuletzt wegen eines unvernünftigen Intermezzos in einem früheren Porsche, das wusste Del. Lucas nahm kopfschüttelnd den Hörer von der Gabel. »Lily?«
»Lucas. Wie geht’s?«
»Wir haben viel um die Ohren, also gut«, antwortete er. »Und bei dir? Wie läuft’s mit dem Kind? Wenn du dich hast scheiden lassen, kann ich dir einen Platz in meiner Garage anbieten.«
Sie lachte und erwiderte: »Wenn das stimmt, was ich über Weather höre, lande ich wohl eher hinterm Haus. Aber dem Kind geht’s gut, und ich bin nicht geschieden.«
»Del ist hier. Ich soll dich von ihm grüßen.«
Nach einigen Minuten weiterer Plauderei erklärte sie: »Wir haben da ein Problem - oder besser gesagt: Ihr habt eins. Vor zweieinhalb Jahren gab’s hier einen Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem zwei Wachleute ums Leben kamen, Cops, die sich in ihrer Freizeit was dazuverdienten. Die Räuber haben eine halbe Million Dollar erbeutet.«
»Nicht sonderlich viel für einen Geldtransporter.«
»Eigentlich wäre mehr drin gewesen. Der größte Teil des Geldes befand sich hinter einer verschlossenen Trennwand im Innern des Wagens«, erklärte Lily. »Der Grundgedanke sah folgendermaßen aus: Wenn sie überfallen würden, sollten die Wachleute die Schlüssel in einen Stahlkasten im hinteren Teil des Fahrzeugs legen, den sie nicht öffnen konnten, dann würde niemand an das Geld rankommen. Das haben sie auch gemacht. Aber irgendjemand ist ausgeflippt und hat rumgeballert, und so haben die Räuber am Ende nur die Einnahmen gekriegt, die noch nicht hinter der Trennwand waren.«
»Und was hat das mit uns zu tun?«
»Wir halten einen gewissen Brutus Cohn für den Anführer der Bande«, antwortete Lily. »Ein anonymer Anrufer mit starkem Südstaaten-Akzent hat uns vom JFK aus einen Tipp gegeben. Er behauptet, er hätte Cohn gestern am Londoner Flughafen Heathrow in einen Flieger nach Los Angeles steigen sehen. Der Typ kennt ihn aus Alabama, wo
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