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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Erdenfeuers, welches dein Schatten ist, und im Namen meines Leibes, welcher mein Schatten ist, dass meine Seele dein ist, bis in alle Ewigkeit.
    Rúnar Valgarðsson zitiert die Schlussworte des zweiten Akts so leidenschaftlich, dass der ganze Saal begeistert applaudiert.
    Ich sehe, wie ein stolzes Lächeln die Lippen seiner Mutter umspielt. Aber es ist auch voller Trauer.
    Der Tod ihres ältesten Sohnes ist nach öffentlichem Recht immer noch nicht aufgeklärt. Aber es gibt noch ein anderes Recht.
    Ich erinnere mich an jenen Tag vor über einem Monat, als ich mit ihrem Sohn zusammensaß und die Geschichte aufrollte.
    Am Ende holte ich das Handy aus meiner Tasche und hielt es hoch, so dass Rúnar den letzten Eintrag seines Bruders auf dem Display sehen konnte. Jedoch ohne die Abschlussworte.
    »Ich kenne mich mit diesen Geräten furchtbar schlecht aus«, sagte ich.
    Ich öffnete das Menü mit der Überschrift »Optionen«.
    Es standen mehrere »Optionen« zur Auswahl.
    Eine von ihnen war: »Notizen löschen«.
    Plötzlich rutschte mein Finger ab.
    »Huch«, sagte ich.
    Skarphéðinn Valgarðssons letzter Eintrag war verschwunden.
    »Menschliches Versagen.«
    War das ein Fehler? Hätte ich der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen sollen?
    Als Rúnar und ich abends zu seinen Eltern fuhren, plagten mich immer noch Zweifel. Aber als ich sah, wie sich die Mutter um die lebendige Leiche des Vaters kümmerte, verflüchtigten sie sich.
    Nichts ist so schmerzhaft, wie zu erfahren, dass der, dem man sein Herz und seinen Geist geschenkt hat, ein Schuft ist,
    hieß es über den Liebhaber. Was soll man über sein eigen Fleisch und Blut sagen? Sie hatte entschieden, dieses Kind zu bekommen. Und sie hatte entschieden, dass seine Zeit zu Ende war. Die Zeit der Hexe.
    Die Mutter umarmte ihren jüngeren Sohn und weinte. Aber es kamen keine Tränen.
    Dann sagte sie einen Satz. Sie schaute mich nicht an, aber sie sprach zu mir: »Ich hatte keine Wahl.«
    Hat man manchmal keine andere Wahl? Ich schrecke aus meinen Erinnerungen hoch, als Jóna Rúnarsdóttir kurz nach hinten schaut. Unsere Augen treffen sich ein paar Sekunden lang. Die Bedeutung unseres Blickes lässt sich nicht in Worte fassen.
    Es sei denn, in die folgenden Worte:
    Die Karwoche fordert uns auf, uns mit Jesus auf den Leidensweg zu begeben, welcher Teil unseres Lebens ist. Und seine Geschichte lehrt uns, dass das Leiden nie sinnlos ist, auch unser eigenes nicht. Jesus hat gesagt: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Diese Worte richten sich an alle Sünder …
    Der Tod hat ihm vergeben.
    Ólafur Einarsson spricht in der Rolle seines Namensvetters den Schlusssatz.
    Vorhang.
    Stürmischer Applaus brandet durch die Sporthalle der Hólar-Schule. Die Begeisterung will kein Ende nehmen. Das Ensemble mit Rúnar an der Spitze wird immer wieder vor den Vorhang gerufen.
    Regisseur Örvar Páll betritt die Bühne und verbeugt sich tief, so als habe er persönlich die Welt erschaffen.
    Fernsehkameras surren und Radiomikrofone knacken und Fotografen knipsen. Jóa steht mittendrin und zwinkert mir zu. An ihrer Seite ist Aðalheiður Heimisdóttir, die Chefredakteurin der
Akureyri-Post
, bei der Arbeit.
    Der Reporter des
Abendblatts
in Akureyri trägt eine nicht unbeträchtliche Verantwortung für das große Medieninteresse. Seine Meldungen und Artikel über verschiedene österliche Leidenswege und das dahinterstehende geheime Netzwerk des Marktes haben nicht nur den Verkauf an den Kiosken vorangetrieben. Sie haben Ásbjörn noch glücklicher gemacht. Die Gesamtüberschrift der Artikelserie stammt vom Titel eines Wunschlieds, das ich am ersten Tag der Berichterstattung im Radio gehört habe.
     
    Nach der Schultheaterpremiere von
Loftur, der Magier
kommt Ásbjörn quer durch die Eingangshalle der Aula auf mich zu, mit rotem Gesicht und einem Glas Weißwein in der Hand. Der Empfang wird natürlich nicht von der Schule ausgerichtet, denn dort wird bekanntlich niemals Wein, geschweige denn etwas Stärkeres ausgeschenkt. Man trinkt auf Kosten der Sponsoren, der Supermarktkette Bónus und des Hotels KEA ; der Arbeitsalltag in der Süßwarenfabrik Nammi gestaltet sich wohl zur Zeit recht turbulent.
    »Skál, Einar«, sagt Ásbjörn, »und danke für alles.«
    Neben ihm stehen Karólína und Ásbjörg und heben lächelnd ihre Gläser zur Bekräftigung, Zustimmung und Bestätigung.
    Ich hebe mein Colaglas und stoße mit ihnen und Gunnsa und Gunnhildur an, die sich ebenfalls

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