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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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war und sich rechtzeitig dagegenstemmte, verfolgte weiter, wie das Unheil seinen Lauf nahm und sich das rotierende Taxi auf sie herabsenkte. Wie aus weiter Ferne hörte er Littlemore, der ihn brüllend aufforderte, sich fallen zu lassen, doch Younger zog nur den Kopf ein, als das Fahrzeug höchstens eine Handbreit über ihn hinwegschoss. Ohne Hast und Geräusch setzte das Taxi sanft auf, ehe es sich überschlagend auf einen Laternenpfahl traf und in Flammen aufging.
    Dann folgten die Granatsplitter. Träge schwirrten eiserne Scherben durch die Luft und zogen sichtbare Wirbel nach sich, als wären sie unter Wasser. Younger beobachtete die rot glühenden Metallprojektile, die mit unendlicher Geduld Handwagen und Körper zerfetzten. Obwohl er wusste, dass das menschliche Auge dergleichen nicht sehen kann, sah er alles ganz genau.
    Die dunkle Rauchwolke über dem Platz hob sich jetzt. Höher und höher strebte sie hinauf und verdeckte als blühender Pilz die Sonne. In ihrer Mitte und an ihren Rändern brannte es.
    Darunter tauchte die Straße wieder auf. In Finsternis gehüllt, obwohl es Mittag war. Es schneite. Warum schneite es? Der Monat, überlegte Younger, welchen Monat haben wir?
    Doch es war gar kein Schnee: Bis zum fünfundzwanzigsten Stock hinauf waren die Fenster in den Häusern zerplatzt und lösten sich in einen Schauer aus Glas auf, der in winzigen Splittern und schartigen Scherben niederging und sich sachte auf umgestürzte Automobile legte. Auf kleine Bündel
aus Lehm und Flammen, die Sekunden vorher noch Frauen und Männer gewesen waren. Auf noch stehende Leute, deren Kleider und Haare brannten, und auf andere, Hunderte andere, die blindlings flohen, zusammenstießen, bluteten. Den Mund geöffnet in dem Versuch zu schreien, aber dennoch stumm. Und immer noch fast reglos: In der traumhaft gebremsten Welt, die Younger wahrnahm, kamen die Menschen nur quälend langsam voran, als klebten ihre Schuhe am geschmolzenen Asphalt.
    Dann auf einmal zerriss die dichte, brennende Wolke oben wie ein gewaltiger Feuerwerkskörper. Immer noch verdunkelten Staub und Schutt die Luft, aber der Hagelsturm aus Glas war versiegt. Schall und Bewegung kehrten in die Welt zurück.
     
    A ls sie sich hochrappelten, spuckte Littlemore einen zerbrochenen Zahnstocher aus und schaute sich um. »Können Sie mir helfen, Doc?«
    Younger nickte. Mit fragendem Blick wandte er sich zu Colette, die ebenfalls nickte. »Also los.«
    Zu dritt stürzten sie sich in die benommene Menge.
     
    I m Zentrum des Massakers lagen überall wild verstreut die Leichen. Grober Staub und brennende Papierfetzen wehten durch die Luft. Stolpernd und hustend strömten Menschen mit teils schweren Verbrennungen aus den Häusern. Aus allen Richtungen drangen Schreie, Hilferufe und ein seltsames Zischen – allmählich abkühlendes überhitztes Metall.
    »Gott im Himmel«, entfuhr es Littlemore.
    Younger kauerte neben einer jungen, wie betend knienden Frau, neben der eine Schere lag. Unwillkürlich hatte der
Arzt versucht, sie anzusprechen. Colette schrie erschrocken auf. Die Frau hatte keinen Kopf.
    Littlemore drang jetzt tiefer in die Menschenmenge vor, offenbar suchte er etwas. Younger und Colette folgten ihm. Plötzlich stießen sie auf eine offene Stelle, einen leeren Asphaltkreis, der so heiß war, dass niemand ihn betrat. Zu ihren Füßen erstreckte sich eine kraterartige Vertiefung, fünf Meter im Durchmesser, rußschwarz, glänzend, rauchend, ohne Sprung oder Riss. In der Senke war der Teil eines abgerissenen Pferdehufs zu erkennen, dessen rot glühendes Eisen zwischen zwei Steinen festgeschmolzen war.
    Der Arzt und der Detective warfen sich einen Blick zu. Dann packte Colette Younger am Arm. Zwei glasige Augen starrten sie vom Asphalt aus an: der abgetrennte Kopf der enthaupteten Frau. Er lag in einer Lache, die aber nicht aus Blut bestand, sondern aus rotem Haar.
     
    A uf dem ganzen Platz befanden sich viel zu viele Menschen. Tausende suchten das Weite, doch Tausende andere drängten heran, um zu sehen, was passiert war. In der Menge auf der Nassau Street verbreitete sich kurz das Gerücht einer weiteren Explosion und löste eine trampelnde Massenflucht aus, deren Weg über Tote und Verletzte führte.
    Littlemore kletterte auf ein umgestürztes Automobil an der Ecke Wall Street und Broadway. Damit stand er eineinhalb Meter über der um ihn wogenden Menge. Rufend bat er um Aufmerksamkeit. Immer wieder sprach er die Worte Polizei und Captain aus. Die Kraft

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