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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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der siebzehnte September, der Verfassungstag«, erklärte Enright. Der Polizeichef war ein Mann von imposantem Leibesumfang mit vollen grauen Locken und unerwartet sensiblen Augen. »Die Feierlichkeiten sollten
eigentlich morgen stattfinden, gleich vor der Börse. Bürgermeister Hylan möchte wissen, ob der Platz bis dahin fertig sein wird.«
    »Spätestens heute Abend um acht ist alles aufgeräumt«, versprach Littlemore.
    »Na sehen Sie, Hylan. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass Littlemore das hinkriegt. Sie können die Feier abhalten oder nicht, ganz wie Sie wünschen.«
    »Ist es denn sicher — sicher für eine große Versammlung?«, fragte der Bürgermeister.
    »Das kann ich nicht garantieren, Sir«, erwiderte der Detective. »Bei einer großen Menschenmenge ist die Sicherheit nie gewährleistet.«
    »Ich weiß nicht.« Hylan rang die Hände. »Machen wir uns lächerlich, wenn wir das Ganze absagen? Oder noch lächerlicher, wenn wir dabei bleiben?«
    McAdoo schaltete sich ein. »Ich habe den Präsidenten noch nicht erreicht, aber ich habe ein längeres Gespräch mit Justizminister Palmer geführt. Er dringt darauf, dass die Veranstaltung stattfindet. Die Bürger sollen feiern, und es sollen Reden gehalten werden – je größer die Versammlung, desto besser. Palmer sagt, wir dürfen keine Angst zeigen.«
    »Angst?«, fragte Hylan ängstlich. »Wovor?«
    »Vor Anarchisten natürlich«, erwiderte McAdoo. »Aber vor welchen Anarchisten? Das ist die Frage.«
    »Keine voreiligen Schlüsse«, mahnte Enright.
    »Palmer wird selbst eine Rede halten, falls er rechtzeitig eintrifft.« McAdoo, der gesprochen hatte, war ein gut aussehender, schlanker, schmallippiger Mann mit markanter Nase und trotz seines Alters immer noch schwarzem Haar.

    »Justiziminister Palmer kommt nach New York?«, fragte Littlemore.
    »Ich nehme an, er wird die Leitung der Untersuchung übernehmen wollen«, antwortete McAdoo.
    »Nicht die meiner Untersuchung«, entgegnete der Commissioner brüsk.
    »Es kann nur eine Untersuchung geben.« McAdoo zuckte die Achseln.
    »Wenn wir hier morgen eine Großveranstaltung haben, Mr. Enright«, meinte Littlemore, »dann brauchen wir zusätzliche Leute auf der Straße. Drei- oder vierhundert.«
    »Warum — droht denn schon die nächste Explosion?«, rief der Bürgermeister erschrocken.
    »Beruhigen Sie sich, Hylan.« Der Polizeichef schüttelte den Kopf. »Sonst hört Sie noch jemand.«
    »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, Mr. Mayor«, warf Littlemore ein. »Wir wollen keine Ausschreitungen.«
    »Vierhundert zusätzliche Beamte?« Hylan riss die Augen auf. »Zum eineinhalbfachen Satz für Überstunden? Wo sollen wir denn das Geld dafür hernehmen?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen um das Geld.« Lamonts kleine Gestalt straffte sich. »Die J.P. Morgan Company wird die Kosten übernehmen. Wir müssen alle wie gewohnt unseren Geschäften nachgehen. Die Welt darf keinesfalls den Eindruck gewinnen, dass die Wall Street nicht sicher ist. Das wäre eine Katastrophe.«
    »Und wie nennen Sie das hier?« Hylan deutete gestikulierend auf die Umgebung.
    »Wie sieht es bei Ihren Leuten aus, Lamont?«, mischte sich Enright ein. »Wie viele hat es erwischt?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Lamont machte ein grimmiges
Gesicht. »Junius – der Sohn von J.P. Junior – war mittendrin.«
    »Er ist doch nicht etwa tot?«
    »Nein, aber sein Gesicht war voller Blut. Im Augenblick weiß ich nur eins ganz sicher: Die Morgan Bank wird morgen wie an jedem normalen Geschäftstag Punkt acht öffnen.«
    Der Commissioner nickte. »Also gut. Alles wie gewohnt. Das wäre dann alles, Captain Littlemore.«
     
    A ls Littlemore zum Tisch zurückkehrte, wo seine Beamten Zeugen befragten, wartete Stankiewicz bereits mit einem stark schwitzenden Herrn auf ihn. »Hey, Cap, den Burschen hier sollten Sie sich mal vornehmen. Er sagt, er hat Beweise.«
    »Ich schwöre, dass ich von nichts weiß.« Der Herr wischte sich über die Stirn. »Ich dachte, es ist ein Witz.«
    »Wovon redet er, Stanky?«
    »Davon, Sir.« Stankiewicz händigte Littlemore eine Postkarte aus, die am 11. September 1920 in Toronto abgestempelt und an George F. Ketledge in 2 Broadway, New York, adressiert war. Die Karte enthielt nur eine kurze Nachricht:
    Guten Tag:
    Verschwinde aus der Wall Street, sobald die Uhr am Mittwoch, den Fünfzehnten, drei Uhr schlägt.
    Viel Glück
Ed
    »Sie sind Ketledge?«, fragte Littlemore den Mann.
    »Richtig.«

    »Wann haben Sie das

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