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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und Klarheit seiner Stimme überraschten Younger, aber es nützte nichts.
    Schließlich hob Littlemore seine Pistole über den Kopf und feuerte in die Luft. Nach dem fünften Schuss richteten
sich die Blicke auf ihn. Younger hatte den Eindruck, dass die Menschen vor allem verschreckt waren. »Alles herhören«, rief Littlemore, nachdem er sich erneut vorgestellt hatte. Seine Stimme drang beruhigend durch das allgemeine Chaos. »Es ist vorbei. Verstanden? Es ist vorbei. Kein Grund zur Angst mehr. Wer einen Arzt braucht, soll hierbleiben. Ich habe einen Doktor bei mir, jeder wird versorgt. Und jetzt möchte ich, dass alle Polizisten vortreten.«
    Keine Reaktion.
    Für sich fluchte Littlemore auf Captain Hamilton, der alle Beamten zur Bewachung der Parade abkommandiert hatte. »Also gut«, rief er. »Was ist mit Soldaten? Sind hier Veteranen?«
    »Ich hab gedient«, krähte ein kaum Zwanzigjähriger.
    »Guter Junge«, antwortete Littlemore. »Sonst noch jemand? Wer im Krieg war, bitte vortreten.«
    Auf allen Seiten entstand Bewegung, als sich Männer nach vorn schoben.
    »Platz machen – wer nicht gedient hat, bitte zurücktreten«, kommandierte Littlemore von seinem Wagen aus. Dann fügte er leise hinzu: »Mich laust der Affe.«
    Über vierhundert Veteranen hatten Aufstellung genommen.
    Littlemore wandte sich an Younger. »Brauchen Sie Männer, Doc?«
    »Zwanzig«, erwiderte Younger. »Dreißig, wenn Sie sie entbehren können.«
     
    M it Hilfe seiner Kompanien hatte Littlemore die Ordnung schnell wiederhergestellt. Er ließ den Platz räumen und sicherte ihn mit einer Mauer von Männern, die Anweisung
hatten, die Leute hinaus-, aber keine Schaulustigen hereinzulassen. Nach wenigen Minuten trafen bereits die ersten Wagen der Feuerwehr ein, denen Littlemore einen Weg bahnen ließ. Über ihnen schlugen die Flammen aus Fenstern im vierzehnten Stock.
    Dann folgten die Krankenfahrzeuge und die Polizeieinheiten – insgesamt fünfzehnhundert Beamte. Littlemore postierte Männer vor den Eingängen aller Häuser. Aus einer Gasse neben dem Schatzamt, die zu eng für die Löschwagen war, drangen dunkler Rauch und der Geruch von brennendem Holz und irgendetwas Widerwärtigem. Ohne auf die warnenden Rufe der Feuerwehrleute zu achten, kämpfte sich Littlemore an einem aufgesprengten gusseisernen Tor vorbei, um nach Überlebenden zu suchen. Er fand keine. Stattdessen entdeckte er im dichten Rauch einen großen, brennenden Haufen aus knackendem Holz. Alles Metallische darin pulsierte scharlachrot: das aus den Angeln gerissene Eisentor, ein Kanaldeckel und die kupferne Dienstmarke an einer Leiche.
    Es war die Leiche eines Mannes. Seine rechte Seite war völlig unversehrt. Die linke dagegen schwelte schwarz verkohlt, ohne Haut und Auge.
    Littlemore betrachtete das halbe Gesicht des halben Mannes. Das unverletzte Auge und der halbe Mund wirkten friedlich und erinnerten ihn unerklärlicherweise an ihn selbst. Die glühende Dienstmarke ließ darauf schließen, dass es sich um einen Beamten des Schatzamts handelte. In seiner verbrannten Hand glitzerte und dampfte etwas: ein Klumpen Gold, um den sich schwarz rauchende Finger krallten.

    Y ounger teilte seine Schwadron von Helfern ein, um sich der Opfer anzunehmen. Die Mauern der Morgan Bank wurden zum Leichenhaus. Der Arzt musste die Exsoldaten anweisen, die Toten nicht zu einem formlosen Haufen aufzuschichten, sondern sie Dutzend um Dutzend in regelmäßigen Reihen hinzulegen.
    Dank der Unterstützung einer nahe gelegenen Apotheke stellte Colette in der Trinity Church einen behelfsmäßigen Verbandsplatz und Operationssaal auf die Beine. Mit hochgekrempelten Ärmeln machte sich Younger an die Arbeit, assistiert von Colette und einer Freiwilligenschwester vom Roten Kreuz. Er reinigte und nähte, richtete Knochen ein und entfernte Metallstücke – bei einem Mann aus dem Schenkel, bei einem anderen aus dem Bauch.
    »Schauen Sie.« Colette half gerade Younger beim Operieren eines Mannes, dessen Blutung die Krankenschwester nicht hatte stillen können. Doch ihre Äußerung bezog sich auf eine undeutliche Bewegung unter dem Operationstisch. »Er ist verletzt.«
    Younger sah kurz nach unten. Zu ihren Füßen tappte ein ungepflegter Terrier mit einem grauen Bärtchen herum.
    »Sagen Sie ihm, dass er warten muss wie alle anderen«, antwortete er.
    Als Colette auffällig still blieb, wandte sich Younger nach ihr um. Sie war dabei, die Vorderpfote des Terriers zu verbinden.
    »Was machen Sie

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