Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
werde ich nie wieder sprechen. Schließlich entschuldige ich mich und gehe nach oben, um zu duschen. Wenn ich Glück habe, ist Cheryl verschwunden, wenn ich wieder nach unten komme.
Hari wohnt seit zwei Monaten bei mir, weil es für ihn näher zur Uni ist. Er sollte eigentlich über meine Tugend wachen und mir helfen, die Hypothek abzubezahlen, aber er ist mit seiner Miete vier Wochen im Rückstand und benutzt mein Gästezimmer als Lasterhöhle.
Meine Beine kribbeln. Ich liebe das Gefühl, wenn die Milchsäure sich wieder abbaut. Ich blicke in den Spiegel und streiche meine Haare zurück. Gelbe Flecken funkeln in meinen Augen
wie Goldfische in einem Teich. Ich habe keine Falten. Braune Haut wird nicht rissig.
Meine »Anlagen« sind auch nicht so übel. Als ich noch Rennen gelaufen bin, war ich immer froh, dass sie eher klein waren und von einem Sport-BH festgehalten wurden. Jetzt hätte ich nichts dagegen, wenn sie eine Nummer größer wären, damit ich ein richtiges Dekolleté hätte.
»Hey Schwesterherz«, ruft Hari von unten, »ich nehm mir einen Zwanziger aus deinem Portemonnaie.«
»Warum?«
»Wenn ich ihn mir von fremden Leuten nehme, werden sie wütend.«
Sehr witzig . »Du schuldest mir noch die Miete.«
»Morgen.«
»Das hast du gestern auch schon gesagt.« Und vorgestern .
Die Haustür fällt ins Schloss. Das Haus ist still.
Unten nehme ich Cates Karte wieder zur Hand und halte sie vorsichtig zwischen meinen Fingerspitzen, bevor ich sie an Salz-und Pfefferstreuer auf dem Tisch lehne und eine Weile anstarre.
Cate Elliot. Ihr Name entlockt mir noch immer ein Lächeln. Eines der seltsamen Dinge an einer Freundschaft ist, dass die gemeinsame Zeit nicht durch die Zeit des Getrenntseins getilgt wird. Man löscht den anderen nicht aus oder wägt auf einer unsichtbaren Waage ab. Man kann ein paar Stunden mit jemandem verbringen, die das eigene Leben umkrempeln, oder eine Ewigkeit mit einem Menschen zusammen sein, ohne sich im Geringsten zu verändern.
Wir sind beide geboren und aufgewachsen in Bethnal Green im East End von London, obwohl wir es geschafft haben, einander die ersten dreizehn Jahre mehr oder weniger zu meiden. Das Schicksal hat uns zusammengeführt, wenn man an so etwas glaubt.
Wir wurden unzertrennlich. Beinahe telepathisch verbunden. Wir waren Komplizinnen, stahlen Bier aus dem Kühlschrank ihres Vaters, machten Schaufensterbummel über die Kings Road, aßen auf dem Heimweg von der Schule Pommes mit Essig oder gingen heimlich zu Konzerten im Hammersmith Odeon oder zum Leicester Square, um Filmstars auf dem roten Teppich zu bewundern.
Unser Auslandsjahr verbrachten wir in Frankreich. Ich verursachte einen Mopedunfall, wurde wegen Benutzung eines gefälschten Studentenausweises verwarnt und probierte zum ersten Mal Haschisch. Bei einem mitternächtlichen Bad im Meer verlor Cate den Schlüssel unserer Jugendherberge, und wir mussten um zwei Uhr nachts über ein Gitter klettern.
Kein Zerwürfnis ist schlimmer als das von besten Freundinnen. Beendete Liebesaffären sind schmerzhaft, zerbrochene Ehen ein Schlamassel. Zerrüttete Familien sind manchmal ein Schritt nach vorn. Unsere Trennung war wirklich schlimm.
Und jetzt nach acht Jahren will sie mich sehen. Ein Kribbeln des Einverständnisses breitet sich über meine Haut aus, gefolgt von einer nagenden, nicht abzuschüttelnden Sorge. Sie hat Probleme.
Mein Autoschlüssel liegt im Wohnzimmer. Als ich ihn einstecke, fallen mir die Flecken auf der Glasplatte des Couchtisches auf. Bei näherer Betrachtung kann ich die unverkennbaren Abdrücke von zwei Pobacken sowie von zwei Ellenbogen erkennen. Ich könnte meinen Bruder umbringen!
3
Irgendjemand hat eine Bloody Mary über meine Schuhe gekippt. Das fände ich nicht so schlimm, aber es sind nicht meine eigenen. Ich habe sie geliehen, genau wie das zu große Oberteil. Zumindest trage ich meine eigene Unterwäsche. »Man soll sich
nie Geld oder Unterwäsche leihen«, erklärt meine Mutter immer als Nachtrag zu ihrer Saubere-Unterwäsche-Rede, in der jedes Mal plastische Schilderungen von Autounfällen und Notärzten vorkommen, die meine Strumpfhosen aufschneiden müssen. Kein Wunder, dass ich Albträume habe.
Cate ist noch nicht da. Ich habe versucht, die Tür im Auge zu behalten und allen Gesprächen aus dem Weg zu gehen.
Ehemaligentreffen sollten gesetzlich verboten werden. Die Einladungen sollten mit einem Warnhinweis versehen werden. Der Zeitpunkt ist immer verkehrt. Man ist entweder
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