Todeskind: Thriller (German Edition)
tippte rasch ein paar Worte ein. Bin an einem Fall. Opfer nicht Ford. Melde mich sobald ich kann.
Er richtete die Taschenlampe auf das Gesicht und den Oberkörper des Opfers. Bis die Spurensicherung die Kartons, unter denen er bis zu den Knöcheln begraben lag, nicht weggeräumt hatte, konnte er nicht viel mehr von dem Toten sehen.
An Gesicht und Kopf schien es keine Verletzungen zu geben. Jedenfalls keine außer dem klaffenden Schnitt in seinem Hals. Das Blut, das sich unter Hals und Kopf des Opfers gesammelt hatte, war gefroren. Der Bursche lag seit Stunden hier. Vermutlich seit letzter Nacht.
Was wolltest du hier, Mann? Und warum bist du tot?
Joseph zog die Brauen zusammen. Und weshalb war das Blut in einer Pfütze direkt unter dem Kopf des Mannes gefroren? Er richtete sich auf, lenkte den Lichtkegel auf die Mauern und das Straßenpflaster und suchte nach Spritzern, entdeckte aber keine.
Das Blut war geflossen, nicht gesprudelt. Was bedeutete, dass Rotsocke schon tot gewesen war, als man ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte. Der Kerl war groß, sein Hals kräftig und muskelbepackt. Wie hatte sein Mörder ihn also niedergestreckt? Und warum hatte er ihm die Kehle durchgeschnitten, wenn keine Notwendigkeit mehr dazu bestand?
Joseph untersuchte die Gegend um das Opfer und fand einen Teil der Antwort. AFID-Tags, ungefähr zweieinhalb Zentimeter im Durchmesser, lagen verstreut auf dem Boden, etwa eineinhalb Meter vom Körper des Toten entfernt. Wie Konfetti wurden die bunten Plättchen aus der Elektroschockpistole ausgeworfen, wenn man die Kartusche wechselte. Die Seriennummern auf den Plättchen waren mit der der Kartusche identisch, damit man im Falle des Missbrauchs die Munition zurückverfolgen konnte. So sollte erreicht werden, dass niemand eine solche Waffe unrechtmäßig abfeuerte.
Den Mörder dieses Mannes hatte es offensichtlich nicht davon abgehalten. Dennoch würde ein Treffer mit dem Taser nicht gleich den Tod herbeiführen. Was also war zwischen Elektroschock und Messer geschehen?
Joseph hob den Kopf, als er hörte, wie eine Autotür zufiel. Die Spurensicherung konnte frühestens in fünf Minuten hier eintreffen. Vielleicht war es jemand, der an den Tatort zurückkehrte.
Schnell zog er seine Waffe und trat hinter den Müllcontainer, der nah an der Einmündung der Straße stand. Er brauchte nicht lange zu warten.
Ein Mann schlich in die Straße. Er war so groß wie Joseph und hatte den Kragen seiner Lederjacke hochgeschlagen, so dass sein Gesicht dahinter verborgen war. Dennoch kam er Joseph irgendwie bekannt vor. Vielleicht weil er sich wie ein Soldat bewegte. Oder weil er seine Waffe wie ein Polizist an der Seite hielt. Eine Erinnerung stieg in Josephs Bewusstsein auf. Er kniff die Augen zusammen. Das kann nicht sein. Nie und nimmer.
»Tuzak«, flüsterte der Mann. »Bist du hier?« Er hielt inne und neigte den Kopf, um zu lauschen.
Nun konnte Joseph sein Gesicht erkennen und fand seine Vermutung bestätigt. Clay Maynard.
Joseph kannte den Burschen. Konnte ihn nicht ausstehen. War gefährlich nah dran, ihn richtiggehend zu hassen. Is’ ja klar, dass ausgerechnet der hier auftauchen muss. Er hatte mit dem Privatermittler schon einmal zu tun gehabt. Am selben Tag, an dem er Daphne zum ersten Mal begegnet war. Maynard war ihr damals ebenfalls zum ersten Mal begegnet. Und leider war es Maynard, auf den sie sich in den folgenden Monaten verlassen hatte. In den Monaten, in denen Joseph kreuz und quer durch die Staaten geflogen war und Terroristen aufgespürt hatte, während er auf seine Versetzung zum VCET wartete, damit er endlich zu Hause bleiben konnte. In ihrer Nähe sein konnte.
Was macht der Kerl hier? Dass er eine Halbautomatik in der Hand hatte, sprach nicht gerade für ihn.
Aber obwohl Joseph sich wirklich wünschte, der Bursche hätte Dreck am Stecken – er wusste es besser. Er konnte Clay Maynard hassen, weil er in Daphnes Bett schlafen durfte, aber er hatte sich den Respekt der Carters verdient. Vor allem den seines Bruders Grayson.
Clay führte seine Detektei mit seiner Partnerin Paige Holden, die gleichzeitig Graysons Verlobte war. Paige hätte Maynard ihr Leben anvertraut, und noch wichtiger: Grayson hätte Maynard Paiges Leben anvertraut.
Clay Maynard kam immer näher. Nur noch ein paar Schritte, dann würde er über den Toten stolpern.
Joseph blieb im Schatten des Containers und konzentrierte sich darauf, seine Stimme ruhig zu halten. Es war nie gut, jemanden zu erschrecken,
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