Todeskleid: Thriller (German Edition)
Familie auf, als sei es nie anders gewesen.
Je mehr Monate verstrichen waren, desto mehr hatte er von seiner früheren Selbstsicherheit zurückgewonnen. Die Carters hatten ihnen das Leben gerettet, und Grayson würde nie aufhören, ihnen dafür dankbar zu sein.
»Lisa?«, rief er. »Bist du hier?«
Eine Tür ging auf, und Lisa erschien. Sie wischte sich die Hände an einer Schürze ab, die einst blau gewesen, nun aber fast weiß war, Nase und Wangen waren mehlbestäubt. Als sie ihn erkannte, lächelte sie. »Grayson. Was machst du denn hier?«
»Ich habe versucht anzurufen, aber es ist niemand drangegangen.«
»Wir hatten die Musik aufgedreht. Eine Firmenfeier in der Innenstadt muss organisiert werden, es gibt ganz schön viel zu tun.«
Grayson beugte sich herab, um sie auf die Wange zu küssen. »Das gibt es bei dir doch immer. Wo sind die Kinder? Ich dachte, im Augenblick wären Ferien.«
Lisa und Brian hatten bisher die einzigen Carter-Enkel produziert – ebenfalls vier an der Zahl, noch alle unter zehn. Katherine und Jack Carter und auch seine eigene Mutter erinnerten die anderen ständig daran, dass es diese Kinderschar einzuholen galt.
»Unsere Mütter sind mit ihnen ins Museum gefahren, weil sie mich hier wahnsinnig gemacht haben.«
»Oje, tut mir leid«, sagte er zerknirscht. »Ich habe mir wohl einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um vorbeizukommen.«
»Für dich gibt es keinen schlechten Zeitpunkt – ich freue mich immer, wenn du da bist. Aber warum kommst du ausgerechnet heute?« Lisa hob die Hand und strich ihm mit dem Daumen über die Stirn. »Wenn du dir Sorgen machst, hast du immer diese steile Falte zwischen den Augenbrauen, und langsam prägt sie sich ein. Was ist los, mein Lieber?«
Er atmete tief durch. »Ich brauche Raum.«
Lisa wich augenblicklich zurück. »Tut mir leid. Ich lasse dich in Ruhe.«
»Nein«, beeilte er sich zu sagen. »Keinen persönlichen Freiraum. Einen Raum, um mich mit jemandem zu treffen.«
Sie verengte die Augen. »Wieso? Was stimmt denn mit deinem Büro nicht?«
»Ich brauche einen Ort, wo ich sicher sein kann, dass niemand mithört. Keine Reporter.«
»Steckst du in Schwierigkeiten, Grayson?«, fragte sie ruhig.
Möglicherweise. »Es gibt da etwas, um das ich mich kümmern muss. Ich erwarte zwei Leute, und sie sollten bald hier sein. Dürfen wir einen der Partyräume benutzen?«
»Klar. Soll ich vielleicht Joseph anrufen?«
Ihr Bruder – Lisas Bruder – war beim FBI. »Noch nicht. Wenn ich ihn brauche, rufe ich ihn an, das verspreche ich dir, auch wenn ich wirklich hoffe, dass das nicht nötig sein wird.« Er hatte auf dem Weg hierher bei sich zu Hause angehalten und fühlte sich mit der Pistole in seinem Stiefel schon sehr viel zuversichtlicher. »Aber momentan habe ich einen solchen Hunger, dass ich die halbe Küche vertilgen könnte.«
»Ich bringe dir etwas von …« Sie verstummte, als sich die Tür öffnete und ein Mann und eine Frau sowie ein sehr großer Hund eintraten.
»Sie sind gekommen«, sagte Grayson erleichtert. Er war sich nicht sicher gewesen, ob Paige auftauchen würde. Dass sie den Hund mitgebracht hatte, überraschte ihn. Noch hatte er nicht in die Akte hineingesehen, die Daphne zu Paige angelegt hatte, und er hoffte, dass Paige ihm selbst erzählen würde, was ihr im letzten Sommer zugestoßen war.
»Entschuldigen Sie, dass wir so spät sind. Ich musste mich noch umziehen«, sagte Paige.
Wieder trug sie Schwarz, doch hier endete auch schon jede Ähnlichkeit mit der eleganten Kleidung von vorher. Jetzt trug sie eine hautenge Jeans und dazu einen schmalen Rollkragenpulli, der ihre Wunde fast verdeckte. Sie hatte eine Wahnsinnsfigur, stellte Grayson fest, dem es schwerfiel, sie nicht anzustarren. Unter ihrem linken Arm bemerkte er eine Ausbuchtung.
Verflucht! Die Frau war bewaffnet. Er war sich nicht sicher, ob ihn das schockierte, faszinierte oder erleichterte. Vielleicht alles drei. In jedem Fall machte es ihn an. Und zwar ganz gewaltig.
Grayson räusperte sich merklich, als ihm bewusst wurde, dass Maynard ihn beobachtete. Die Miene des anderen drückte eine Mischung aus Misstrauen und resigniertem Verständnis aus. »Sie hatten hoffentlich keine Probleme, das Haus hier zu finden.«
»Nein, gar nicht«, antwortete Paige. »Wenngleich ich etwas anderes erwartet hatte. Darf Peabody überhaupt hier rein?«
Lisa starrte von einem zum anderen. »Grayson? Vielleicht wäre jetzt eine Vorstellungsrunde angebracht.«
»Oh,
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