Todesläufer: Thriller (German Edition)
Bulletins.«
Die Anweisung des Präsidenten war eindeutig gewesen: zu niemandem und unter keinen Umständen ein Wort über die Angelegenheit.
Würde die Krankheit des Präsidenten bekannt, wäre es nicht nur um seine Aussichten auf eine Wiederwahl düster bestellt, seine politischen Gegner hätten auch noch, bevor das Amt an seinen Nachfolger überging – und das dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit der Mann sein, der jetzt neben dem Präsidenten herging – ausreichend Zeit, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, ganz wie seinerzeit gegen Bill Clinton wegen der Affäre mit Monica Lewinsky.
Falls das Erfolg hätte, würde man den Präsidenten, der stets zu Offenheit und Toleranz aufgerufen hatte, mit Schimpf und Schande aus dem Amt jagen.
»Ich halte das für nichts anderes als einen weiteren Schachzug. Die wollen damit unser Land schwächen. … Punkt. Es ist unsere Aufgabe, das Richtige zu tun und Gerüchte im Keim zu ersticken.«
Am anderen Ende der Leitung trat ein langes Schweigen ein.
»Da sind wir uns doch einig, Miss McGeary?«
ZUR SELBEN ZEIT – NEW YORK – SIXTH AVENUE – AT&T-GEBÄUDE
Die Rettungssanitäter, die Stanley Cooper versprochen hatte, waren schon vor einer ganzen Weile bei Grace eingetroffen. Zwei Feuerwehrleute stellten im Wechsel mit Beamten des NYPD die für das Überleben der jungen Frau erforderliche Bewegung sicher, indem sie sie unablässig im Kreis herumtrugen. Auf Geschwindigkeit kam es dabei nicht an. Langsames Gehen genügte, solange sich die Trage dabei auf und ab bewegte. Auf diese Weise ließ sich erreichen, was die Fortbewegung in weich gefederten Fahrzeugen nicht vermochte: Man konnte den Mechanismus überlisten. Dann aber …
»Aah!«
Einer der Feuerwehrmänner ging so unvermittelt in die Knie, dass die Trage in Schieflage geriet, und hielt sich mit beiden Händen den Oberschenkel. Grace lag reglos da, die Haare waren auf dem Kies ausgebreitet wie die Kelchblätter einer großen, dunklen Blume. Jeder wusste, was das zu bedeuten hatte.
»Verdammt, was soll das?«, fluchte der andere. In seiner Stimme lagen gleichermaßen Angst und Überraschung.
»Ich bin getroffen! Man hat auf mich geschossen!«
Der Heckenschütze hatte seinen erbärmlichen Zeitvertreib wieder aufgenommen. Weitere Kugeln pfiffen um sie herum, ohne jedoch zu treffen. Die beiden Männer riefen nach den Polizeibeamten, die sich im Inneren des Gebäudes eine kurze Ruhepause gönnten, doch ihre Rufe drangen nicht durch die schwere Feuerschutztür.
Doch mit einem Mal öffnete sie sich, und Rob Kovic tauchte in Begleitung eines Polizisten mit gegeltem Haar und eines jungen, blonden Mannes auf, den sie nicht kannten. Es war Mike, der Freund der jungen Frau. Ohne zu zögern stürzte sich Kovic auf die Trage und drängte den unverletzten Feuerwehrmann, die Runde wieder aufzunehmen. Mike schaute dem Ganzen hilflos zu.
Der Angeschossene schleppte sich in eine Ecke, in der er nicht im Weg war. Seine Wunde blutete heftig.
»Unten sind zwei von unseren Leuten«, rief Rob seinem Mitarbeiter Franck Caroli zu. »Hol sie her!«
Dann wies er auf Mike: »Du da, nimm das Funkgerät von meinem Gürtel und halt es mir vor den Mund.«
Der junge Mann gehorchte mechanisch.
»Commander Kovic. Ich hab hier einen 10-54 und brauche einen Rettungswagen in der Sixth Avenue 32. Ein Feuerwehrmann mit Beinschuss durch einen einzelnen Schützen. Ich wiederhole 10-54, Feuerwehrmann mit Schussverletzung, Sixth Avenue 32.«
Nun erst richtete Mike den Blick auf die bewusstlose Grace. Er wagte nicht, sie richtig anzusehen, die Situation überforderte ihn. In ihrer Beziehung war immer sie die Stärkere gewesen, die sich furchtlos dem Leben und seinen Gefahren stellte. Schon als sie sich im Krankenhaus kennengelernt hatten, war von ihr eine Energie ausgegangen, von der er seither stets profitiert hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich diese Kraft je erschöpfen würde.
Während er neben der Trage herging, strich er Grace leicht über die Wange und dann über den Arm. Als er die Hand fortnahm, hatte er Blut an drei Fingern.
Außerstande, ein Wort zu sagen, hielt er sie Kovic wie eine klägliche Trophäe vor die Augen.
»Großer Gott, sie ist verwundet! Wir verlieren sie!«
Erneut ertönte ein Schuss. Die vorüberpfeifende Kugel, die zum Glück bloß im Kies einschlug, wirkte wie ein bestätigendes Ausrufezeichen.
Betont ruhig fragte Kovic: »Kannst du sehen, wo sie getroffen worden ist?«
»Nein, ich weiß
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