Todesläufer: Thriller (German Edition)
nicht …«
Der junge Mann schien unter Schock zu stehen.
»Dann sieh nach! An der Stelle muss das Blut etwas dunkler sein.«
»Ich glaub an der Seite.«
»Wo genau?«
»Ziemlich dicht am Herzen.«
Caroli tauchte in Begleitung zweier uniformierter Kollegen wieder auf. Sie lösten Rob ab, der für solche Aufgaben schon ein wenig zu alt und obendrein außer Form war. Mit Hilfe des unverletzten Feuerwehrmanns schafften sie die Trage über die Treppe ins Gebäudeinnere, außer Schussweite.
Als sie eine der Büroetagen erreicht hatten, tätigte Rob einen weiteren Anruf: »Hier Commander Kovic. Schickt mir zwei Teams zur Kreuzung Sixth und West Broadway. Wir haben hier einen Heckenschützen, der das AT&T -Gebäude unter Feuer genommen hat. Durchsucht in dem Sektor jedes Gebäude mit mehr als fünfzehn Stockwerken.«
Ein Arzt der Feuerwehr war zu seinen Kollegen im achtundzwanzigsten Stock gestoßen und versuchte, Grace’ Wunde zu versorgen, während die Trage nach wie vor bewegt wurde. Er wirkte nicht besonders zuversichtlich.
»Die Kugel steckt noch drin …«
»Können Sie sie herausholen?«
»Es wäre Wahnsinn, das zu versuchen, solange die Patientin in ständiger Bewegung ist.«
»Glauben Sie, dass das Herz getroffen ist?«
»Nein. In dem Fall wäre sie auf der Stelle tot gewesen. Der Puls ist zwar schwach, aber noch tastbar.«
»Und was kann man tun?«
»Solange man sie nicht stillhalten kann, ehrlich gesagt … nicht viel.«
»Eine Adrenalinspritze?«, regte Kovic an.
»Nicht bei einem Implantatträger, dessen Herz noch schlägt. Das könnte einen Herzstillstand hervorrufen.«
»Und wenn man sie woandershin brächte?«, schlug Kovic vor, bemüht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen.
»Liebend gern, aber wohin? Ganz davon zu schweigen, dass die Kugel während des Transports im Körper wandern könnte … Nein, wie die Dinge liegen, können Sie nichts Besseres tun, als sie hier am Leben zu halten.«
Rob nickte. Er wusste nicht recht, wie er Sam die schlechte Nachricht überbringen sollte. Schon vor elf Jahren war er es gewesen, der ihn angerufen und ihm mitgeteilt hatte, wozu kein anderer den Mut hatte. Er war der Bote, der ihm seine Toten ankündigte.
Doch solange noch Hoffnung bestand, Grace zu retten, wollte er nicht länger an diese Möglichkeit denken.
Er schüttelte sich und versuchte, sich auf die bestehende Lage zu konzentrieren. Was ihm Sorge machte, war, dass es in diesem Teil von Manhattan nur wenige Hochhäuser gab. Das Gebäude, in dem sie sich befanden, war das höchste im Umkreis von zweihundert Metern. Alle übrigen waren bestenfalls acht oder zehn Stockwerke hoch. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass man von so weit unten jemanden auf dem Dach des Gebäudes treffen konnte. Woher also waren die Schüsse gekommen? Aus einem Hubschrauber? Rob konnte sich nicht vorstellen, dass jemand von den Ordnungskräften sie als Zielscheibe benutzt hatte, auch wenn es in ihren Reihen den einen oder anderen üblen Gesellen gab. Doch nicht zuletzt der 11. September hatte gezeigt, dass derart dramatische Ereignisse die Menschen eher dazu veranlassten, enger zusammenzurücken, und alle, selbst die zwielichtigsten Charaktere, mit einem Mal zu einer tugendhaften, moralischen Haltung fanden.
Franck Caroli packte seinen Vorgesetzten am Arm: »Was hast du vor? Du willst doch wohl nicht wieder da hoch?«
»Es gibt da was, was ich nicht verstehe. Ich möchte wissen, womit der Kerl da rumballert.«
Mit diesen Worten stürmte er die Treppe hinauf, die er gerade erst heruntergekommen war, und trat auf das Dach hinaus. Die Schüsse hatten aufgehört. Er suchte mit den Augen die Schornsteine ab und fand bald eine Stelle, an der eine Kugel in den Putz eingedrungen war. Er zog sie heraus.
Neun Millimeter …
Das machte die Sache nur noch rätselhafter. Ein Geschoss dieses Kalibers konnte nur aus einer Faustfeuerwaffe stammen. Doch die meisten Pistolen trafen höchstens bis auf fünfundzwanzig Meter einigermaßen genau, bei großen Kalibern mochten es auch fünfzig sein. Für Treffsicherheit über größere Entfernungen waren ein Sturmgewehr oder eine Maschinenpistole nötig. Doch mit einer solchen Waffe hatten sie es hier nicht zu tun.
Also gab es nur eine Möglichkeit: Der Schütze musste ganz in der Nähe sein – vielleicht befand er sich sogar mit ihm zusammen auf dem Dach.
»Hier Einsatzgruppe 1! Commander, wir sind an Ort und Stelle. Erbitten Anweisungen«, kam es aus seinem Funkgerät. Sie hatten
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