Todesläufer: Thriller (German Edition)
stürzte sich auf ihn.
»Ich muss dahin. Ich darf sie nicht allein lassen.«
»Natürlich. Ich verstehe ….«
Zum Teufel mit der Ermittlung. Zum Teufel mit dem Befehl des Präsidenten. Wenn er am Ende wegen Gehorsamsverweigerung im Knast landete, sei’s drum.
»Sie braucht mich.«
Bei Licht besehen, schien eher er Hilfe zu brauchen. Dennoch stimmte Benton schweigend zu, bevor er erklärte: »Das ist Ihre Entscheidung, Sam. Übrigens habe ich für das Entschärfen der Sprengsätze möglicherweise doch einen interessanten Kontakt.«
»Und wen?«, fragte Sam umgehend.
Rasch rief Benton ihm in Erinnerung, welche Rolle das IARPA spielte, die Forschungseinrichtung unter der Ägide des ODNI . Von dort stammten all die kleinen Spielzeuge, die amerikanischen Agenten in den letzten fünf Jahren zur Verfügung gestellt worden waren. Im Grunde hatte sie die gleiche Funktion wie der berühmte »Q« der James-Bond-Filme, nur dass dort Hunderte arbeiteten und über einen Jahresetat von mehreren Hundert Millionen Dollar verfügten.
»Ein Chemiker, der früher bei uns im ERT gearbeitet hat, ist vor drei Jahren dorthin gewechselt. Ein guter Freund.«
»Und der kennt sich mit so etwas aus?«
»Eigentlich nicht. Aber er hat für mich den Kontakt zu einem seiner Kollegen aus der Abteilung Mikroelektronik hergestellt, einem gewissen Carl Henriksen.«
»Zuverlässig?«
»Ein eigenbrötlerisches kleines Genie, wie es im Buche steht. Einer von denen, die mehr Zeit am Computer verbringen als bei ihrer Familie. Wenn ihn der Knochen interessiert, den man ihm hinwirft, beißt er sich glatt eine Woche lang Tag und Nacht daran fest.«
Eine Woche … So lange würde Grace nicht durchhalten.
»Das ist Ihre Entscheidung«, hatte Benton gesagt. Aber genau da lag die Schwierigkeit. Er hatte es gründlich satt, immer wieder falsche Entscheidungen zu treffen. Es wäre ihm viel lieber gewesen, die Umstände hätten an seiner Stelle entschieden … Aber es half alles nichts. Er wollte nicht zusehen, wie es mit Grace bergab ging, ohne dem Tod etwas anderes entgegensetzen zu können als bei ihr zu sein und ihre Hand zu halten.
Er musste etwas tun, weiterkämpfen. Eine Lösung herbeiträumen. Ein Wunder. Dann könnte er zu seiner Tochter zurückkehren, nicht mehr als ihr in Tränen aufgelöster Vater, sondern als ihr Retter.
»In Ordnung«, sagte er knapp. »Worauf warten wir?«
»Augenblick, so geht das nicht. Das Labor ist in College Park, an der Universität von Maryland.«
»Ist das nicht in Baltimore?«
»Genau. Deswegen habe ich schon einen Hubschrauber hingeschickt, der Henriksen herbeischaffen soll. Er bringt seinen Daniel-Düsentrieb-Werkzeugkasten mit.«
»Gut.«
»Außerdem habe ich mir erlaubt, ihm den Schrittmacher zu schicken, den Sie in meinem Büro gelassen haben. Da kann er ihn sich unterwegs schon mal ansehen.«
Bentons legendäre Tüchtigkeit hatte durchaus ihre Vorzüge. Er hatte das Ganze in ein paar Minuten mit zwei, drei Anrufen gedeichselt. Sam hielt ihm die Hand hin, die der andere ohne zu zögern ergriff.
»Francis … danke.«
»Danken Sie mir, wenn die Sache funktioniert. Bis dahin sollten Sie von der Heimatschutzbehörde alles herbeischaffen, was für unseren neuen Freund, den verrückten Wissenschaftler, nützlich sein könnte.«
»Greg hat Ihnen doch schon alles geschickt, was wir dahatten.«
»Halten Sie mich nicht für einen Anfänger, Sam. Ich bin sicher, Sie finden noch so manches, was ihm entgangen ist, wenn Sie gründlich nachsehen.«
»Liz wird toben … ich meine, wenn sie zurückkehrt.«
»Ich bin gern zur Kooperation bereit, um diese hundsgemeinen Dinger zu deaktivieren … aber dabei darf es dann keine Geheimniskrämerei mehr geben, einverstanden? Ab sofort gibt es nur noch einen großen gemeinsamen Hordentopf, den Sie und ich gemeinsam am Henkel halten.«
Zerdaoui … Sam dachte an den französischen Historiker in Liz’ Büro. Wie sollte er ihm klarmachen, dass ihr heiliger Bund zu Ende war, kaum dass sie ihn besiegelt hatten? Er zog es vor zu schweigen und schüttelte umso kräftiger die Hand, die ihm Benton entgegenstreckte.
18 UHR 45 – NEW YORK – STATEN ISLAND
Der bedeckte Himmel ließ das letzte Licht des Tages rasch erlöschen. Dichter Dunst lag über dem Wasser der Bucht und verstärkte das Halbdunkel noch, das alle Umrisse und Perspektiven verzerrte. Selbst die Lichter der Verrazano-Brücke, die wie ein leuchtendes Gespenst zu schwanken schien, durchdrangen die schwarze
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