Todeslauf: Thriller (German Edition)
Kein Mann mit einer Narbe. Er war nicht da.
»Edward wollte mit uns reden«, sagte Piet.
»Edward redet nicht mit Leuten, die er nicht kennt«, warf die Frau ein. Sie sprach in einem seltsamen Ton, bei ihr hatten sich Englisch und Niederländisch zu einem ganz eigenen Akzent vermischt. Sie war in gewisser Weise hübsch, weil ihre Gesichtszüge ebenmäßig waren, doch gleichzeitig war sie auch hässlich. So als wäre ihre innere Verkommenheit äußerlich sichtbar geworden. Sie war mir jedenfalls vom ersten Moment an zutiefst zuwider.
»Dann kann er nur mit einem kleinen Kreis von Leuten zu tun haben«, sagte ich.
»Ja«, antwortete die Frau, die offenbar das Sagen hatte. Freddy wurde nicht gefragt, wenn wichtige Dinge besprochen wurden.
»Mein Name ist Samson«, sagte ich. »Und Sie sind?«
»Demi.« Sie deutete auf ein paar Stühle. Ich setzte mich.
»So wie die Schauspielerin?«
»Wie die Schauspielerin. Hast du gewusst, dass ihr Name bei holländischen Eltern sehr beliebt ist?«
»Hab ich nicht gewusst«, antwortete ich.
Das stimmte nicht. Sie vermittelten mir den Eindruck, kleine Ganoven zu sein, keinesfalls Leute, die ihre Feinde mit Bombenanschlägen beseitigen oder einen Wirtschaftsmagnaten wie Bahjat Zaid erpressen konnten. Doch als meine Erinnerung einen Moment lang zu den Videobildern von der Hinrichtung des Türken zurückging, war ich mir ziemlich sicher, dass Freddy, Demi, Piet und der andere Typ dabei gewesen waren, auch wenn man ihre Gesichter unkenntlich gemacht hatte. Was man aber wiedererkannte, war Freddys hünenhafte Gestalt, die hängenden Schultern des Holländers und Demis Haltung mit den verschränkten Armen.
Das Haus war alt und hatte einen eigenen Geruch, und die Leute sahen mehr aus wie Jugendliche, die Gangster spielten, und nicht unbedingt wie professionelle Verbrecher. Im Fernsehen lief ein SpongeBob-Zeichentrickfilm ohne Ton. Aus der Küche drang der Geruch von verbranntem Popcorn. Auf dem Tisch lag eine auseinandergenommene Pistole. Schlampig.
»Wann kommt Edward her?«, fragte ich.
»Gar nicht«, antwortete Demi. Sie sah zu, wie Piet sich auf den Stuhl neben mir sinken ließ. Die blaue Gesichtsfarbe war einer glühenden Röte gewichen. Er war stinksauer.
»Was zum Teufel soll das werden?«, rief er.
»Edward hat gesagt, er kümmert sich darum, dass die Ware rechtzeitig da ist. Und er trifft sich mit dir, wenn du alles organisiert hast. Nicht früher.«
Ich konnte wohl kaum fragen, ob Yasmin Zaid hier war. »Ist das alles, was ich zur Verfügung habe?«
»Wie meinst du das?«
»Ihr seid zu viert, mit Piet. Ich brauche mehr Leute, um mir eine Ladung zu schnappen.«
»Edward hat Piet angeheuert, damit er sich darum kümmert. Wir helfen euch nicht.«
»Aber wir brauchen mehr Leute.« Ich hätte nichts davon gehabt, diese Leute auszuschalten; sie waren nicht komplett, und vor allem fehlten Edward und Yasmin.
»Du kannst erst mit Edward sprechen – oder mit sonst jemandem –, wenn ihr das Problem mit der Ladung geregelt habt.«
Ich blickte mich um; es war nicht der Raum, in dem Yasmin den Türken erschossen hatte. Das hier war offenbar nicht die Operationsbasis. Dieses Dreckloch diente ihnen nur als sicheres Ausweichquartier.
Ich musste Edwards Operation also tatsächlich vorbereiten. Das war die einzige Möglichkeit, wie ich an die ganze Bande herankam, wie ich sie töten konnte und von Edward die Antworten erhielt, die ich brauchte.
Ich hatte keine Wahl. Morgen würde ich mich darum kümmern müssen, eine Ladung Zigaretten von schwer bewaffneten chinesischen Schmugglern zu stehlen.
Ich Glückspilz.
59
»Ich mache fast keine Geschäfte mit den Chinesen«, sagte Gregor und sah zuerst mich an und dann Piet. Er schluckte. »Im Ernst, Leute, ich glaube nicht, dass ich euch helfen kann.«
»Ich brauche nur jemanden aus dem Umfeld der Fälscher«, sagte ich. »Du wirst schon irgendjemanden kennen. Die Rolex-Uhren hier sind doch sicher nicht alle echt.«
»Also, entschuldige mal, Sam, die sind echt.« Gregor schaffte es, ein empörtes Gesicht zu machen, und wandte sich an Piet. »Ich weiß wirklich niemanden, an den ich euch verweisen kann.«
Wenn er mir half, würde ich Gregor einiges schulden. Aber wenn ich Piet tötete und Gregor damit von einer großen Gefahr befreite, dann waren wir wohl wieder quitt. »Es ist wirklich wichtig, Gregor. Du musst doch irgendwelche Kontakte zu den Chinesen haben.«
Gregor sah ziemlich verängstigt aus und schien wieder einmal
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