Todeslauf: Thriller (German Edition)
beruhigend gewesen, Mila hinter uns auftauchen zu sehen, mit einem Auto voller Waffen. Aber die Straße war leer, abgesehen von zwei Frauen, die mit ihren Einkaufstaschen den Bürgersteig entlanggingen.
Ein Mann öffnete die Tür, als wir kamen, die Augen hinter einer Sonnenbrille im Retrostil verborgen. Sein Mund war zu einem grausamen Lächeln verzogen. Ich spannte mich innerlich an und stellte mir vor, ich müsste in eine Gaskammer gehen. Mein Leben schien nur noch aus Überleben und Töten zu bestehen. Ich fragte mich, wie mein Baby aussehen mochte, wie sich seine Haut anfühlte, wie es sich anfühlte, wenn die kleine Hand nach dem Finger des Vaters griff.
Man denkt an alles Mögliche im Angesicht des drohenden Todes. So als hätte man nur noch wenige Gedanken übrig.
Der Mann, der meine Frau und mein Kind entführt hatte, war da drin. Und wartete auf mich.
»Er ist sauber«, sagte Piet, doch der Mann mit der Sonnenbrille schob mich hinein und durchsuchte mich gründlich; seine Hand wanderte über meinen Rücken und meine Beine bis in den Schritt.
Aus dem Inneren des Hauses drang der Duft von würzigem Essen, außerdem roch es nach Waschmittel und Schweiß. Ein zweiter Mann, ein Blonder, stand am Ende des Flurs. Schon drei, die zu töten waren. Aber ich würde sie töten, irgendwie.
Eine junge Frau trat neben ihn. Sie trug Jeans und ein ausgeblichenes T-Shirt und hatte eine Pistole in der Hand. Ihr braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden. Nicht Yasmin Zaid. Sie sah mich mit stumpfen Augen an. Vier, die es auszuschalten galt.
Und auf ihrem Arm sah ich eine Neun mit einer Sonne. Die gleiche Tätowierung wie der Mann, den ich mit meinem Leitfaden für Barkeeper getötet hatte.
Ich fragte mich, ob der Typ mit der Sonnenbrille meine Angst roch, meine Anspannung. Ich wollte nicht sterben – der Gedanke traf mich wie ein Hammerschlag.
»Das gefällt dir wohl«, sagte ich, während seine Hände noch einmal zwischen meine Beine wanderten.
»Halt den Mund. Du redest, wenn ich’s dir sage«, erwiderte er in perfektem Englisch. Seine Faust war mir zu nah an meinen Weichteilen, deshalb schwieg ich lieber. Ich sah die Pistole hinten in seinem Hosenbund. Gut zu wissen. Ich hatte mich schon entschieden, der Frau die Waffe abzunehmen; sie hielt sie ein bisschen lässig, so als dächte sie nicht wirklich daran, sie auch zu benutzen.
»Das ist Samson«, sagte Piet. »Er ist okay. Er …«
Weiter kam er nicht. Der Typ mit der Sonnenbrille packte ihn mit einer Hand an der Kehle und drückte ihn gegen die Wand. Piet würgte, und der Typ – er war über eins neunzig groß und gut neunzig Kilo schwer – sagte: »Ich bin gar nicht zufrieden mit dir, Piet.«
Piet, der große furchterregende Schwertkämpfer, begann zu flehen. »Ah, Freddy, bitte. Bitte.«
»Wir wollen alle wissen, wie das heute so schiefgehen konnte. Warum Marc und Dirk gestorben sind.« Er sprach vermutlich von den Zwillingsbrüdern.
»Er kann’s dir nicht sagen, wenn er erstickt«, warf ich ein. Piet gurgelte und würgte und brachte ein bisschen Farbe in den düsteren Raum, indem er blau anlief.
Freddy wandte sich mir zu. »Ich kenne dich nicht.«
»Marc und Dirk mussten sterben, weil Nic uns verraten hat«, sagte ich. »Nic ist tot. Der Verrat wurde schon gerächt, falls dich das beruhigt. Ich habe Nic getötet, und ich werde uns neue Ware beschaffen, in der ihr euer Zeug verstecken könnt.«
»Sie waren unsere Freunde.«
»Das tut mir sehr leid. Sie sind im Kampf gestorben.«
Er hatte die gleiche Tätowierung wie die Frau. Auf seinem Unterarm wirkte sie noch sehr frisch.
Diese Typen sollten Novem Soles sein? Diese Leute waren … Niemande. Was hatten sie angestellt, dass die Company eine Akte über sie führte?
Freddy musterte mich mit einem langen, merkwürdigen Blick. Piet begann in seiner Not gegen die Wand zu treten. Freddys Bizeps sah aus wie aus Marmor gehauen. Wahrscheinlich benutzte er selten eine Waffe, weil er einen Mann mit einem Schlag töten konnte.
»Freddy«, wandte die Frau ein, »hören wir uns doch mal an, was Piet zu sagen hat.«
Freddy ließ Piet los, und Piet hustete und keuchte und wand sich auf dem schmutzigen Boden. Ich half ihm hoch. Ich kam jedoch nicht an seine Waffe heran, außerdem hatte Freddy seine Pistole gezogen und richtete sie auf meine Schläfe.
Er führte uns in ein Zimmer am Ende des Ganges, und ich dachte: Das ist es jetzt, der Augenblick der Wahrheit.
Doch der Raum war leer. Kein Edward.
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