Todeslauf: Thriller (German Edition)
sich auf und hörte den Donnerhall von Schüssen aus der Brauerei.
Es war Zeit zu verschwinden. Der Job war gewaltig schiefgegangen. Es kümmerte ihn nicht, wer da drinnen gewann – der Scheißkerl, der ihn so fürchterlich ausgetrickst hatte, oder Edwards Leute.
Er sah den Schlüssel des Vans in der Fahrertür stecken. Ohne lange zu überlegen, sprang er in den Wagen, ließ den Motor an und brauste in die Nacht hinaus. Als er merkte, dass sein Schwert weg war, packte ihn eine unbändige Wut. Sam, du verdammter Dreckskerl.
Nachdem er zwei Kilometer gefahren war, kam ihm eine Idee. Er brauchte ein Sicherheitsnetz. Sam arbeitete für irgendjemanden. Okay. Sams Bosse würden Informationen wollen. Sie konnten ihn verstecken. Es war Zeit, überzulaufen.
In Brüssel hatte Sam seine Ausrüstung in einer Bar bekommen, und eine andere Bar hier in Amsterdam war offenbar seine Stammkneipe. Der Rode Prins. Die Bars mussten irgendwie miteinander zu tun haben; jedenfalls konnte er dort nach Sams Bossen suchen, um einen Deal mit ihnen zu schließen. Er blinzelte und zuckte zusammen vor Schmerz, während er zur Prinsengracht fuhr. Immer wieder tastete er mit der Zunge über die Stelle, an der seine Vorderzähne gewesen waren und wo das Zahnfleisch nun heftig pulsierte. Die Bar würde jetzt geschlossen sein. Doch er konnte einbrechen und herausfinden, für wen Peter Samson arbeitete.
73
Der Schmerz – vom Kopf über die Schulter bis zum Rücken – zwang mich, die Augen zu öffnen. Langsam setzte ich mich auf. Mir tat alles weh. Eingetrocknetes Blut auf dem Kopf und der Wange. Ich war in einem kleinen Raum mit Steinwänden. Kein Bett; Aktenschränke.
Dann sah ich Lucy auf der anderen Seite des Zimmers sitzen.
Ich schaute sie blinzelnd an.
»Hallo, Sam.«
»Du hast dir die Haare geschnitten«, sagte ich. Meine Stimme klang belegt, schwer, gebrochen.
»Ich soll dich töten«, sagte sie. Vier Worte, die ein Gespräch beendeten, bevor es begonnen hatte. In der Ferne hörte ich den Motor eines Trucks brummen. Die dumpfen Geräusche von Paletten und Kisten, die verschoben wurden. Ich hörte das alles, aber die Worte, die sie gerade ausgesprochen hatte, konnte ich nicht wirklich begreifen.
»Lucy …«
»Ich habe Edward gesagt, dass ich das erledige – aber erledigen kann viel heißen.«
»Lucy. Wo ist das Baby?« In meinem Kopf wirbelten tausend Fragen umher, aber diese eine schnitt sich wie ein Messer durch meine Benommenheit.
»Sam. Du wirst sterben, wenn du mir nicht zuhörst.«
Ich sah auf ihren flachen Bauch. Ihre dunkle Bluse steckte ordentlich in den Jeans. »Wo ist unser Sohn?«
»Das braucht dich nicht zu interessieren, Sam.«
»Er ist das Einzige, was mich interessiert. Jetzt, wo ich weiß, was du bist«, fügte ich hinzu und spürte nun die Wut in mir hochkommen.
»Würdest du mir bitte zuhören, Sam? Ich versuche gerade, dich zu retten. Mit mir zu streiten ist dir wichtiger, als zu überleben?«
»Jetzt weiß ich, was du bist«, wiederholte ich.
»Schlauer. Schneller. Stärker. Reicher. Wie wär’s damit?«
Die Frau, die ich liebte. Die ich geglaubt hatte zu lieben. Sie saß da mit diesem Gesicht und diesem Körper, die mir so vertraut waren, so kostbar; sie sprach mit dieser Stimme, mit der sie mir Zärtlichkeiten ins Ohr geflüstert hatte; sie sah mich an mit dieser wachen Intelligenz, die mich restlos überzeugt hatte, dass ich mein ganzes Leben mit ihr verbringen wollte. Doch sie war eine Fremde. Ich hatte sie nicht wirklich gekannt.
Ja, ich hatte sie nicht gekannt.
Alles an ihr war eine einzige Lüge gewesen, und sie hatte mir mehr als nur drei Jahre meines Lebens gestohlen. Das Ausmaß der Lüge war einfach unfassbar. Sie hatte mir mein Gefühl dafür geraubt, wer ich war, sie hatte mit einem Schlag alles erschüttert, was ich über mich und die Welt wusste. Meine Ehe war erledigt, und ich hatte keine Zeit, darum zu trauern. All das schoss mir binnen Sekunden durch den Kopf, nicht einmal in Worten, sondern nur als Gefühl, als eine eisige Kälte, die sich über mich legte.
»Okay, schlau und reich«, sagte ich. »Wo ist unser Kind?«
»Willst du gar nicht wissen, warum?«
»Nein. Wenn ich frage, wirst du mich anlügen oder es mir verschweigen. Du hast getan, was du getan hast, mehr gibt’s nicht zu sagen«, erwiderte ich. »Ich verstehe es nicht, aber ich muss es nicht verstehen. Ich muss dich nur stoppen.«
»Das wird nicht passieren«, entgegnete sie mit diesem angedeuteten Lächeln, das
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