Todeslauf: Thriller (German Edition)
ich oft an ihr gesehen hatte, wenn wir uns gegenseitig neckten.
»Na schön, dann machen wir’s so, wie du es haben willst. Sag mir, warum. Du kannst es ja kaum erwarten, es mir zu erzählen. Vielleicht ist das der Grund, warum du mich am Leben lässt. Du willst mich noch ein bisschen quälen.«
»Ich bin nicht herzlos, Sam. Ich habe wirklich … Gefühle für dich. Du warst ein guter Koch. Gut im Bett. Ein interessanter Gesprächspartner. Du warst ein guter Ehemann.«
»Ich war eine gute Tarnung für dich«, gab ich zurück. »Jemand, den du benutzen konntest.«
»Ich wette, du hast gegenüber der Company immer darauf beharrt, dass ich unschuldig bin. Sehr ritterlich.«
»Sehr naiv.«
»Nein. Ich habe einfach nur dieses Talent, Leute zu täuschen«, sagte sie. Ich spürte eine große Leere in ihren Worten.
Mein Kopf brummte, als ich mich mühsam aufrappelte. »Was geht hier vor, Lucy? Wer sind diese Leute, was macht ihr?«
»Süßes Geheimnis«, erwiderte sie. »Ich soll herausfinden, was du weißt, und dich erschießen. Aber das kann ich nicht. Ich kann dich nicht einfach so kaltblütig erschießen, Sam. Ich glaube …«
Ich machte einen zittrigen Schritt auf sie zu, und sie hob die Pistole. »Es ist nicht kaltblütig, wenn du mich angreifst. Dann tue ich, was ich tun muss, Sam. Und ich nehme an, du willst leben.«
Ich blieb stehen. »Ja.«
»Es freut mich, dass ich deinen Lebenswillen nicht zerstört habe.« Ich konnte die Gefühle, die ihr Gesicht ausdrückte, kaum einschätzen. Sie wirkte nicht selbstgefällig, eher ein bisschen unsicher. So als hätte sie nicht damit gerechnet, den Konsequenzen ihrer Tat ins Gesicht sehen zu müssen.
»Ich will wissen, wo unser Sohn ist.«
»Du sagst niemandem, dass ich am Leben bin – nicht der Polizei und auch nicht der Company. Du erwähnst mich gar nicht. Dann werde ich mich in ungefähr einer Woche melden, und ich sage dir, was du wissen musst, um das Baby zu finden. Du kannst ihn haben. Du musst nur dabei bleiben, dass du mich nie gesehen hast, okay?«
»Geht’s dem Baby gut?«
»Er ist in Sicherheit, Sam.« Sie blickte zu mir auf. »Ein gesunder, hübscher Junge. Wir haben das gut hinbekommen.« Ich sah, dass sie schwer schluckte. Ihre Pistole war mit einem Schalldämpfer versehen. »Ich muss los. Also, ich sag dir jetzt, wie wir’s machen. Ich geh raus – und du verhältst dich ganz ruhig. Edward und ich, wir werden wegfahren. Irgendwann wird die Polizei kommen, und du wirst ihre Fragen beantworten müssen. Wenn du meinen Namen aus dem Spiel lässt – und ich werde wissen, ob du’s tust oder nicht –, dann sage ich dir, wo das Baby ist. Wenn du mich erwähnst, wirst du ihn nie sehen, nie.«
»Warum lässt du mich am Leben?«
»Ich habe dir drei Jahre deines Lebens gestohlen. Das ist die Entschädigung.« Ihre Stimme klang unsicher. Der Partner weiß immer Bescheid. August hatte das gesagt, und Howell ebenfalls. Der Partner weiß immer Bescheid, wenn der andere ein Verräter ist. Ich hatte nichts gewusst.
»Das ist nicht alles. Warum?« Sie musste noch irgendeinen Grund dafür haben. Einen, der mit ihrem eigenen Vorteil zu tun hatte.
»Sei nicht undankbar«, erwiderte Lucy.
Ich dachte an unsere drei gemeinsamen Jahre, und daran, dass jedes Wort, jede Handlung von ihr genau kalkuliert war.
»Hast du mich je geliebt?«, fragte ich. Es fiel mir schwer, sie das zu fragen; außerdem war es bedeutungslos. Jetzt jedenfalls liebte sie mich nicht. Jede Frage war bloße Sentimentalität. Ich hatte Jahre meines Lebens verloren, so als wäre ich auf einer einsamen Insel gestrandet gewesen oder hätte drei Jahre im Gefängnis gesessen. Das Einzige, was jetzt noch zählte, war mein Kind, nicht mein Ego.
»Muss wohl so sein. Sonst würdest du nicht mehr leben.«
Sie blickte an meiner Schulter vorbei. Aus dem Fenster. Und ich hörte Schüsse. Sie knallte die Tür zu und schloss ab. Ich taumelte zur Tür. Ich trat gegen das Schloss und versuchte, es aufzubrechen.
Die Schüsse hörten auf. Ich sah aus dem Fenster. Ein Van brauste auf den Parkplatz, und drei Männer sprangen heraus.
Einer von ihnen war Howell.
74
Piet hatte seinen Van in einer Seitenstraße abgestellt und humpelte die Prinsengracht entlang. Früher war er an der Hand seiner Mutter die Kanäle entlangspaziert, bevor Mama zu ihrem Job ging und sich vor den widerlichen Fremden hinknien musste. Er hatte davon geträumt, in einem dieser schönen Häuser zu wohnen und den Kanal im Licht der
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