Todeslauf: Thriller (German Edition)
möglicherweise bekam ich keine weitere Chance … Ich versuchte es mit der dritten Tür. Nics Zimmer. Und es war so makellos sauber, wie die anderen Räume schmuddelig waren. Der Großteil wurde von einem Schreibtisch mit drei Computern eingenommen. Über den Monitoren standen reihenweise Bücher über Datenbanken, Programmiersprachen, Hacking und Computersicherheit. Vielleicht war der Kerl mehr als nur ein Spammer. Auf einem Beistelltisch lagen einige Fotos verstreut. Sie zeigten Nic in jüngeren Jahren ohne Pferdeschwanz und etwas schlanker, zusammen mit der Frau aus dem Bett nebenan. Sie wirkte jünger und gesünder, und neben ihr stand ein Mann, der wie eine viel ältere Ausgabe von Nic aussah.
Nic, der raue Bursche, war ein Nerd, der bei seiner Mutter lebte.
Ich hatte eine Menge Werkzeug und Technik eingesteckt. Was ich suchte, waren Informationen, und die meisten Informationen sind heutzutage auf Computern gespeichert. Ich drückte die Leertaste und sah mich gleich mit der Aufforderung zur Eingabe eines Passworts konfrontiert. Rasch schloss ich eine externe Festplatte an den ersten Computer an. Die Software auf der Festplatte begann zu arbeiten, mit dem Ziel, das Login-Passwort zu knacken. Mila hatte erwähnt, dass die Software von der NSA stammte, doch sie verriet mir nicht, wie sie sie in ihre schmutzigen kleinen Finger bekommen hatte.
Während das Programm seine Arbeit tat, durchsuchte ich das Zimmer. Nic hatte eine Pistole, eine Glock, unter dem Bett liegen. Sonst nichts.
Das Schnarchen der Frau wurde lauter, ehe es verstummte.
Der Computer signalisierte, dass das Passwort gefunden war. Ich war drin. Ich trennte die Festplatte vom PC und schloss eine andere an, auf die ich die gesamte Festplatte des Computers kopieren wollte. Mila hatte mir versichert, damit würde es viel schneller gehen als mit einer herkömmlichen Festplatte. Der Kopiervorgang begann, und ich wandte mich dem Verlauf der jüngsten Aktivitäten zu. Nic hatte sich verschiedene PDF-Dateien angesehen. Ich öffnete sie eine nach der anderen.
Er hatte auf News-Webseiten Berichte über den Bombenanschlag am Hauptbahnhof gesucht. Ich ging sie durch. Da war nichts, was ich nicht schon wusste. Fünf Tote. Vier Holländer, ein Russe. Der Name des Russen war noch nicht bekannt gegeben worden, sagte die Polizei, weil man die Familie bisher nicht gefunden hatte. Die Bombe war in einer kleinen Buchhandlung hochgegangen; die Täter hatten sie hinter einer Wühlkiste mit verbilligten Büchern platziert – wahrscheinlich, so spekulierte die Polizei, damit der Rucksack nicht vor der Explosion entdeckt wurde.
Ich fand Bilder vom Ort der Verwüstung, und nachdem ich sie fünf Sekunden betrachtet hatte, war mir klar, dass sie nicht von einer News-Webseite stammen konnten. Das waren Fotos, wie sie die Polizei am Tatort anfertigte, Fotos, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren.
Sie zeigten entsetzliche Einzelheiten. Das waren Leute, die nur ihre Zeitung oder einen Schokoriegel hatten kaufen wollen. Eine Kassiererin, die ihren einfachen, ehrlichen Job gemacht hatte. Alle tot. Ihre zerfetzten Körper und abgerissene Gliedmaßen lagen zwischen den Trümmern des Geschäfts. Blutspritzer klebten an den Wänden.
Die Bilder riefen die schrecklichen Erinnerungen an den Bombenanschlag in London in mir wach.
Woher hatte Nic diese Fotos?
Ich fand eine polizeiliche Analyse der Bombe, als geheim klassifiziert.
Was hatte er gestern Abend in dem Pissoir der Bar gesagt? Ich hab das Zeug. Die Bullen wissen nichts. Ich dachte, er hätte von geschmuggelten Gütern gesprochen, doch das war ein Irrtum. Der Mistkerl hatte sich in die Datenbank der Polizei gehackt. Er verfolgte die Ermittlungen.
Es lief mir kalt über den Rücken. Nic war viel mehr, als er auf den ersten Blick zu sein schien. Ich hatte ihn gewaltig unterschätzt.
Ich sah mir die detaillierte Beschreibung der Bombe an: eine kleine Menge Semtex-Sprengstoff, der, so wurde vermutet, von einem Diebstahl in Tschechien vor sechs Monaten stammte. Sehr einfach.
Aber.
In dem Bericht stand nichts darüber, wie die Bombe gezündet worden war. Ich ging den Rest durch. Es hätte eine Zeitschaltuhr oder ein Handy geben müssen, um die Explosion auszulösen. Doch man hatte nichts gefunden. Selbst bei einer noch so verheerenden Explosion wären irgendwelche Spuren zurückgeblieben, aus denen man hätte schließen können, wie die Bombe gezündet wurde.
Die nächste Seite trug die Bezeichnung nicht
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