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Todeslauf: Thriller (German Edition)

Todeslauf: Thriller (German Edition)

Titel: Todeslauf: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Abbott
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Balken ragte aus den Mauerziegeln hervor, gut zweieinhalb Meter über mir. Die meisten Häuser in Amsterdam hatten solche Balken – vermutlich wurden sie benutzt, um große Möbelstücke hochzuziehen, weil die Treppenhäuser meistens sehr eng waren.
    Nur mit einem mächtigen Satz käme ich dort hinauf. Ich wartete, ob mich jemand von der Straße aus sah, doch niemand blickte zu mir hoch. Ich konzentrierte mich, um die Erinnerung an mein Parkour-Training in meinen Körper einfließen zu lassen. Es war nicht unmöglich. Ich blickte zu dem Balken empor. Ich sprang. Mit ausgestreckten Händen versuchte ich, den Balken zu fassen zu bekommen.
    Ich verfehlte ihn.
    Ich stürzte ab. Mit knapper Not erwischte ich mit den Händen den Fenstersims, auf dem ich gestanden hatte. Mein Körper prallte gegen die Mauer, und der Schmerz durchzuckte meine Arme. Meine Fingerspitzen brannten wie Feuer, doch ich wagte nicht zu schreien. Mit den Füßen konnte ich den Aufprall dämpfen. Das Parkour-Training härtet die Hände und Arme ab, doch ich war etwas aus der Übung. Ich blickte hinunter. Die Straße war fast leer. Eine Frau kam aus dem Café und ging weiter, ohne nach oben zu schauen.
    Über mir hörte ich die Tür aufgehen. Nic betrat sein Zimmer. Er pfiff vor sich hin. Ich war geliefert. Von seinem Schreibtisch her hörte ich es klappern; er war vielleicht nur einen Meter von mir entfernt. Wenn er aus dem Fenster schaute, würde er vielleicht meine Hände sehen. Ich hörte ihn mit seiner Mutter sprechen; sein Ton klang gereizt, er sagte ihr, er habe keine Zeit zum Plaudern.
    Gott sei Dank. Ich zog mich zum Fenster hoch und sah, dass er auf den Flur hinausging. Doch er hatte die Zimmertür offen gelassen.
    Bei Parkour geht es darum, Hindernisse auf möglichst einfache und effiziente Weise zu überwinden. Meine Gedanken arbeiteten wie ein Messer und zerschnitten das Problem in kleine Schritte, die ich in einer fließenden Bewegung durchführen könnte. Ich hing schon ungefähr zehn Sekunden am Fenstersims; ich hatte keine Zeit zu verlieren.
    Vorsichtig zog ich mich hoch. Ich bekam einen Fuß auf den Sims und zog mich ganz hinauf. Nics Mutter rief aus ihrem Zimmer nach ihm und beklagte sich, dass er ihr nichts zum Frühstück mitgebracht habe. Nic erwiderte, sie solle sich verpissen und sich ins Bett legen, bis sie wieder nüchtern sei. Seine Stimme wurde lauter, er kam offenbar zu seinem Zimmer zurück.
    Ich musste den Sprung noch einmal versuchen. Ich schnellte mich hoch – und diesmal erwischte ich den Balken über mir. Rasch schwang ich meine Beine herauf, während Nic mit seiner Mutter schimpfte und sie ihn ankeifte. Von unten auf der Straße hörte ich einen lauten Ausruf: Jemand hatte mich entdeckt. Jetzt ging es nur noch darum, schnell zu verschwinden – jeden Moment konnte die Polizei erscheinen. Von dem Balken zog ich mich auf das Dach hinauf, wo ich von der Straße aus nicht mehr zu sehen war. Ich lag flach auf dem Rücken und schaute in den Himmel, um kurz zu verschnaufen. Dann kroch ich langsam zum Dach des Nachbarhauses hinüber. Vorsichtig arbeitete ich mich weiter, stets darauf achtend, dass man mich von unten nicht sehen konnte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
    Ein kleines Mädchen in einer Dachwohnung beobachtete mich mit großen Augen, als ich das Ende des Blocks erreichte, etwa ein Dutzend Häuser von dem Haus entfernt, in dem Nic wohnte. Die Kleine war vielleicht vier Jahre alt, sie hatte leuchtende Augen und Apfelbäckchen. Ich winkte, und sie winkte zurück. Dann legte ich einen Finger an die Lippen, und sie lachte. Ich machte eine Geste, als würde ich ein Fenster öffnen – und sie machte ihr Fenster auf.
    Ich schlüpfte in ihr Zimmer. Sie sah mich mit großen Augen an. Ich tätschelte ihr den Kopf und legte noch einmal den Finger an die Lippen. Sie lachte wieder. Ich schlich auf den Flur hinaus und hörte aus einem Zimmer Geräusche, die so klangen, als würde sich gerade jemand anziehen. Im Badezimmer rauschte die Dusche. Wenige Augenblicke später hatte ich die Wohnung verlassen und eilte die Treppe hinunter.

38
    »Sie kennen den toten Russen? Woher?«, fragte Mila. Sie hatte die Festplatte an ihren eigenen Computer angeschlossen und sah sich das Material an, das ich bei Nic hatte mitgehen lassen, der es seinerseits aus der Polizeidatenbank gestohlen hatte.
    Meine Stimme klang heiser. »Am Tag des Bombenanschlags in London, kurz vorher … da berichtete ich in einer Präsentation über einen Mann, den

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