Todeslauf: Thriller (German Edition)
der Schuhspitze. Er gab Demi ein Zeichen, die an der Kamera stand. »Action!«, sagte er und schnippte mit den Fingern.
Demi schaltete die Videokamera ein.
Edward zog eine Pistole mit Schalldämpfer hervor und reichte sie Yasmin. Die anderen stießen überraschte Laute aus.
»Erster Akt«, sagte er. »Töte ihn.«
Sie nahm die Waffe und sah ihn verwirrt an.
»Das ist kein Test, Yasmin. Es ist deine Pflicht.«
Der Mann war gebrochen, das Blut lief ihm aus dem Mund. Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen.
»Tu es, Yasmin«, befahl Edward. »Bitte schnell, wir haben noch mehr zu tun.«
Sie hob die Waffe nicht, sondern starrte den wehrlosen Mann an.
»Yasmin …« Edward hoffte, dass er ihr nicht wieder damit drohen musste, sie zu töten.
»Ich überlege, wo ich hinschießen soll. Ich will nicht die Stricke treffen.«
Edward lächelte wie ein Lehrer, der stolz auf seine Schülerin war. Der Mann stammelte etwas in seiner Sprache, er flehte sie an, nicht zu schießen.
Sie hob die Waffe und richtete sie auf ihn.
»Yasmin!«, rief der Türke in perfektem Englisch. »Dein Vater will dir helfen. Was dir diese Leute sagen, ist eine Lüge! Tu das nicht!«
»Mein Vater ist der Lügner.« Die Pistole zitterte einen Augenblick. Sie blinzelte und drückte ab.
Die Kugel traf ihn in die Brust. Der Stuhl kippte um. Er lebte noch und schrie vor Schmerz.
Yasmin drückte ein zweites Mal ab. Die Kugel durchschlug seinen Hals. Er zuckte, dann lag er regungslos da. Einer der Männer lachte, dann begannen sie ihr Beifall zu klatschen. Sie starrte nur auf den toten Mann hinunter, schien darauf zu warten, dass er aus ihrem Blick verschwand. Sie ließ die Pistole nicht sinken; steif stand sie da.
»Die Szene ist im Kasten. Demi, lade den Film auf den Computer. Mach unsere Gesichter unkenntlich, falls man sie sieht. Dann schicken wir das Ganze ihrem Vater.« Edward nahm ihr die Waffe aus der Hand und drückte ihren Arm hinunter wie den einer Puppe. »Du bist wirklich perfekt.«
Sie schlang die Arme um sich, als würde sie frieren, und wirkte etwas verwirrt. Er fasste sie am Kinn.
»Wir haben deinen Vater jetzt in der Hand. Er wird uns keinen Ärger mehr machen, Yasmin.«
Sie sah die anderen an, deren Blicke unverwandt auf sie gerichtet waren. »Darf … darf ich zurück in mein Zimmer gehen? Oder soll ich noch beim Saubermachen helfen?«
»Geh hinauf.«
Sie gehorchte. Die Männer betrachteten sie schweigend.
»Ich frage mich«, begann Piet, »ob das Mädchen dir etwas vorspielt.«
»Das tut sie nicht.«
»Ich glaube, sie würde alles tun, um zu überleben«, erwiderte Piet. »Sie hat gewusst, dass ihr nichts anderes übrigbleibt. Du hast gesagt, sie war Wissenschaftlerin, oder? Vielleicht ist sie eiskalt. Ich würde ihr an deiner Stelle nicht den Rücken zukehren. Sie hat jetzt einen Mann erschossen. Beim zweiten Mal wird sie sich nicht mehr so überwinden müssen. So läuft es immer.«
»Halt den Mund und bring die Leiche weg«, erwiderte Edward schroff. »Und Demi, du bereitest das Band vor. Ich will, dass ihr Vater seinen Tag mit seiner reizenden perfekten Tochter beginnen kann.«
35
Ich schlug die Augen auf.
Ich hörte ein Baby schreien, und einen wunderbaren Moment lang dachte ich, es wäre unser kleines Bündel und die Welt wäre so, wie sie sein sollte. Als hätte sich das in London nie ereignet.
Aber ich war hier nicht zu Hause; ich befand mich in einem Mansardenzimmer in Amsterdam. Das Licht der Morgensonne schien mir ins Gesicht. Das Baby hörte ich immer noch. Ich stand auf und trat an das kleine Fenster, von dem man auf die Prinsengracht hinunterblickte. Unter mir schob eine gestresste Mutter einen Kinderwagen vorbei. Der nächtliche Regen hatte aufgehört, und es sah nach einem sonnigen Vormittag aus.
Ich hatte nicht viel darüber nachgedacht, wie es sich anfühlen würde, Vater zu sein. Als Lucy mir sagte, dass wir ein Baby bekommen würden, war da zuerst Überraschung, dann Freude. Ich musste an meinen Vater denken, der mit uns über sechs Kontinente gezogen war, bevor ich zehn wurde, der so beschäftigt damit war, die Welt zu retten, dass er nur selten Zeit für uns hatte. Er war in mancher Hinsicht ein guter Vater gewesen, in anderer Hinsicht eher gleichgültig uns gegenüber. Ich nahm mir fest vor, seine Fehler nicht zu wiederholen, falls ich die Gelegenheit dazu bekam.
Es klopfte an der Tür. Ich hatte meine Waffe griffbereit, als ich aufmachte. Mila, gekleidet wie eine typische junge
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