Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
hatte die Mutter sehr nervös geklungen. Ihr verärgerter Tonfall wurde rasch von einer dünnen zittrigen Stimme abgelöst. Sie öffnete unmittelbar nach dem ersten Klingeln.
»Lena Westmark, nehme ich an«, sagte Ella.
Die Frau nickte zur Antwort angespannt. Ella stellte sich selbst und Jonny vor.
»Zuallererst möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen«, fuhr sie fort. »Bitte fassen Sie meinen Besuch bei Ihnen nicht so auf, als würde ich Ihre Trauer und die Ihres Mannes nicht respektieren.«
Frau Westmark schaute die Frau, die gerade ihr Haus betreten hatte und damit ihr Leben verändern würde, mit großen Augen an. Ella räusperte sich und sah sich im Flur um, wobei sie sich durchaus darüber im Klaren war, dass Jonny jeden ihrer Schritte genau verfolgte.
Der Flur war geräumig, und der funktionelle Stil war auch hier deutlich zu erkennen. An der Decke hingen runde weiße Glaslampen, die ein kaltes weißes Licht auf den braun gesprenkelten Marmorfußboden warfen.
»Ist Ihr Mann zu Hause?« Es klang nicht gerade wie eine Frage, als die Worte aus Ellas Mund kamen.
»Er ist im Garten«, antwortete Lena Westmark.
»Es ist wohl das Beste, wenn er dabei ist«, sagte Ella bestimmt.
Lena verschwand durch eine Terrassentür in den Garten. Jonny starrte Ella an und stellte fest, dass er keine Ahnung hatte, wie Ella sich dieses Treffen vorgestellt hatte. Selbst für einen Kriminaltechniker war diese Art von Hausbesuch äußerst ungewöhnlich. Normalerweise sollte der verantwortliche Beamte dabei sein. Doch als Jonny den Polizisten informiert hatte, der die Ermittlungen in diesem Todesfall leitete, hatte der ihn lediglich mit großen Augen angeschaut und gemeint, dass er keinesfalls vorhätte, an einer Konfrontation teilzunehmen, die eine Rechtsmedizinerin initiiert hatte.
Als Lena Westmark aus dem Garten zurückkam, hatte sie einen bedeutend jüngeren Mann bei sich, als Ella erwartet hatte. Die Frau selbst war im Alter um die fünfzig, während der sonnengebräunte Mann keinen Tag älter als vierzig aussah. Die Frau stellte ihrem sichtlich erstaunten Mann die Gäste vor. Lena Westmark hatte offenbar nicht die Absicht gehabt, ihn unnötig zu involvieren.
»Es geht um Ihren Sohn«, begann Ella.
Sie sprach auch ihm ihr Beileid aus und wiederholte, was sie zuvor zu Frau Westmark gesagt hatte. Der Mann nickte, sagte jedoch nichts. Er stellte sich neben seine Frau und verschränkte die Arme vor der Brust.
Abwehrhaltung, dachte Ella, bevor sie mit ihren Ausführungen begann.
»Die Leiche Ihres Sohnes wurde bewegt, nachdem er bereits vierundzwanzig Stunden tot war«, sagte sie ruhig.
Sowohl Herr als auch Frau Westmark standen wie versteinert da. Sie brachten keinen Ton heraus.
»Er wurde angezogen und mit einem Seil um den Hals in der Garage aufgehängt.«
Ellas Stimme war sachlich, als redete sie über völlig belanglose Dinge.
»Und jemand tippte das Wort ›Verzeiht‹ in sein Handy und hinterließ es in der Garage. Danach riefen Sie den Notruf zum zweiten Mal.«
Ella richtete ihren Blick jetzt auf Lena Westmark und machte einen Schritt auf die Frau zu, deren Gesicht inzwischen ziemlich blass geworden war. Doch Ella fuhr unbarmherzig fort.
»Ich möchte von Ihnen wissen, wo Sie ihn gefunden haben, als Sie nach Hause kamen, und wie das Seil aussah, das um seinen Hals geschlungen war. War möglicherweise etwas Weiches zwischen das Seil und seinen Hals geschoben worden? Vielleicht ein Taschentuch?«
Lena Westmark sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen; ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Haut nahezu durchsichtig. Ihr Mann hatte sich bereits auf einen Stuhl im Flur gesetzt, als Ella zu reden begann. Er hatte sein Gesicht in seinen großen erdverschmierten Händen begraben und weinte leise. Doch keiner von ihnen wusste, dass Ella mit den vergleichsweise harmlosen Details begonnen hatte. Sie hatte nicht die Absicht, die beiden davonkommen zu lassen, bevor sie nicht ihr Kernanliegen vorgebracht hatte.
»Er saß in seinem Kleiderschrank«, begann Frau Westmark.
Sie wirkte fast ein wenig abwesend. Vollkommen hilflos.
»Sein Kopf hing in einer Schlinge, sodass es aussah, als wäre er eingeschlafen.«
»Und wie sah die Schlinge aus?«
Auch wenn Ellas sachliche Fragen mit Sicherheit als gefühlskalt aufgefasst werden würden, war dies ihre einzige Möglichkeit, sich die Verzweiflung der Eltern vom Leib zu halten.
»Es war eine dünne Schnur, die an der Kleiderstange befestigt war, aber genau wie
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