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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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hatte er dennoch den Türgriff heruntergedrückt. Die Tür war unverschlossen.
    Schon wieder so ein Spielchen, hatte er gedacht. Mit steigendem Puls hatte er seinen Mantel in den Flur gelegt und war Richtung Treppe gegangen. Auch wenn ihm der Altersunterschied von fast zehn Jahren bereits früh bewusst geworden war, wurde er ihm noch weitaus deutlicher, als er jetzt durch die exklusiv eingerichtete Villa im funktionalistischen Stil ging, die Villa der verreisten Eltern. Obwohl er nicht älter als dreißig war, bewirkte die Tatsache, dass sein Liebster immer noch zu Hause bei seinen Eltern wohnte, dass er sich wie der böse Onkel vorkam. Doch die Liebe richtete sich eben nicht nach den Gesetzen der Logik, redete er sich ein. Nach nur anderthalb Monaten hatte er gemerkt, dass er verliebt war. Gefühle, von denen er früher angenommen hatte, sie wären anderen vorbehalten, erfüllten ihn plötzlich mit einer Euphorie, die er nie zuvor erlebt hatte.
    Langsam hatte er sich dem Schlafzimmer genähert. Der Fußboden knarrte unter seinen Schritten, doch die Tür glitt lautlos auf. Er erinnerte sich daran, wie er im Türrahmen stand und in das schlecht beleuchtete Zimmer schaute. Anfänglich hatte er Schwierigkeiten, die Sinneseindrücke einzuordnen, die er wahrnahm. Als weigere sich sein Gehirn resolut, das zu akzeptieren, was seine Augen registrierten. Doch dann erfasste ihn die Einsicht mit voller Wucht. Er starrte auf eine Leiche. Johns Leiche.
    Sein Kopf hatte in einer unnatürlichen Stellung gehangen, und seine Augen waren halb geöffnet. Im kalten Licht eines eingeschalteten Computers auf dem Schreibtisch konnte er die aufgeschlagenen Zeitschriften erkennen, die um die Leiche herum ausgebreitet lagen. Doch er benötigte keine weiteren Lichtquellen, um zu verstehen, um was für Zeitschriften es sich handelte. Er kannte Johns sexuelle Vorlieben. Hinter seinen blonden Locken und den unschuldsvollen Augen loderten eine Glut und eine sexuelle Neugier, die ihresgleichen suchten. Ungehemmt hatte er ihm von seinen Fantasien erzählt und in welcher Form seine Wünsche erfüllt werden sollten.
    Rollenspiele mit Handschellen und Knebel hatte er selbst ja noch akzeptieren können. Er hatte sich von Johns Abenteuerlust anstecken lassen und war weit über die Grenzen gegangen, die seinen amourösen Eskapaden früher ein Ende gesetzt hatten. Aber wenn er ehrlich war, lag der Genuss für ihn darin, John zu Willen zu sein. Wenn er selbst hätte wählen dürfen, hätte er einen Kuss oder eine Umarmung vorgezogen. Denn er war ganz einfach verliebt gewesen.
    Als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete, brach seine gesamte Welt zusammen. Panik lähmte ihn und machte es ihm unmöglich, klar zu denken. Aus Angst, dass der Verdacht möglicherweise auf ihn fallen könnte, erwog er, die gesamte Villa in Brand zu setzen. Nur um nicht entdeckt zu werden.
    Doch er hatte kein Benzin geholt, kein Streichholz angezündet. Er war auch nicht auf John zugegangen, um die Schnur um seinen Hals zu entfernen und ihn auf die Stirn zu küssen. Stattdessen hatte er das Zimmer panikartig verlassen. Er hatte John im Stich gelassen. Er hatte ihn in den Händen von Menschen zurückgelassen, die nicht in der Lage waren, die Wahrheit zu akzeptieren. Eltern, die wie so viele andere ihr Kind nicht in Erinnerung behalten wollten, wie es gewesen war, sondern wie sie es sich gewünscht hätten.
    Auch er selbst hatte sich nicht hinter John gestellt. Mit diesem Verrat würde er leben müssen. Doch noch schlimmer war die Tatsache, dass er nicht einmal in der Lage war, sich selbst zu outen. Dass er sich nicht traute, als der zu leben, der er war.
    *
    Ella hatte ihr Auto wie immer, wenn die Parkplätze vor ihrem Büro belegt waren, im Parkhaus neben dem Gebäude der Rechtsmedizin abgestellt. Die Rechtsmedizinische Abteilung teilte sich das schlecht ausgeleuchtete und menschenleere Parkhaus vor allem mit Angestellten der Universität, die offenbar früh Feierabend machten. Nur wenige Angestellte aus ihrer Abteilung benutzten das Parkhaus, und diejenigen, die es taten, waren mit einer speziellen Karte der Universität ausgestattet, mit der man alle Türen des Gebäudes öffnen konnte.
    Erst als sie ihren Wagen erreicht hatte, fiel ihr Blick auf den Hinterreifen. Er war platt. Sie fluchte laut. Dann fiel ihr Blick auf den Vorderreifen. Er war ebenfalls platt. Im selben Augenblick, als sie das Messer sah, das noch im Vorderreifen steckte, machte sie kehrt und rannte los.
    Ihr kam

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