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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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erfüllt, obwohl ihre Gelenke immer steifer und unbeweglicher wurden. Wie jemand freiwillig so viele Jahre lang für Grete arbeiten konnte, war Ella allerdings unbegreiflich. Wenn Ella Grete in den vergangenen Jahren pflichtschuldig auf ihre Geburtstagseinladungen hin besuchte, so tat sie es in der Hoffnung, Estrid zu treffen, die für diesen einen Tag im Jahr an ihren ehemaligen Arbeitsplatz zurückkehrte. Dort trug sie dann, so gut es mit ihren krummen und vom Rheumatismus entstellten Fingern ging, die glänzenden Silbertabletts auf. Im vergangenen Jahr hatte Estrid an Gretes Geburtstag allerdings im Krankenhaus gelegen, sodass Ellas Besuch für sie völlig umsonst gewesen war. Sie plagte immer noch ein schlechtes Gewissen, dass sie sich nicht die Zeit genommen hatte, Estrid dort zu besuchen.
    Grete hatte inzwischen eine private Putzhilfe, kam aber ansonsten gut allein zurecht. Ellas Mutter Judit war natürlich oft bei ihr und half ihr bei gewissen Alltagsverrichtungen, die Grete offenbar nicht mehr selbst durchführen konnte. Auch wenn Judit studierte Kunsthistorikerin war und eine eigene Galerie betrieb, konnte man kaum behaupten, dass ihre Arbeit mehr als einen Bruchteil ihrer Zeit beanspruchte. Sie beschäftigte zwei Angestellte in der Galerie und war selbst fast nur während der Vernissagen anwesend. Es war offensichtlich, dass Ausbildung und Beruf für sie eher mit Status als mit Einkommen und Betätigung verbunden waren.
    Nur ganz selten hatte Judit sich gegenüber Ella über Gretes Tendenz beschwert, diese unbedeutenden Alltagsverrichtungen als mehr oder weniger akute Krisensituationen erscheinen zu lassen. Oftmals hatte sich herausgestellt, dass sie lediglich Hilfe beim Schneiden ihrer Fußnägel oder beim Putzen ihres Silbers vor einer Einladung zum Tee benötigte. Doch meistens schluckte Judit ihren Stolz herunter und eilte ihrer Mutter zu Hilfe, was für Ella nur schwer nachvollziehbar war. Sie nahm an, dass ihre Mutter sich dazu verpflichtet fühlte, weil Grete Judit unterstützt hatte, als sie selbst dringend Hilfe benötigte. Eine Hilfe, die nach Ellas Auffassung hätte selbstverständlich sein müssen. Denn der Verlust ihres Ehemannes, den ihre Mutter in jungen Jahren erlitten hatte, hatte Judit von einer selbstständigen Ehefrau in einer für die damalige Zeit ungewöhnlich gleichberechtigten Ehe zu einer unterdrückten Frau werden lassen, die in Abhängigkeit von ihren Eltern und deren Geld lebte und sich nicht zutraute, auf eigenen Beinen stehen zu können.
    Ellas Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter war nicht ganz unkompliziert. Ihr war nur allzu bewusst, dass beide Frauen der Meinung waren, dass sie nicht den Lebensweg gewählt hatte, der einem gut erzogenen Mädchen aus der Oberschicht anstand. Dass Ellas Intellekt dem von ihrer Mutter und Großmutter zusammen überlegen war, hatte sie bereits in der Oberstufe erkannt. Ihr Großvater war der Einzige, der, wenn auch verhalten, immerhin seinen Stolz darüber bekundete, dass Ella ihr Abitur mit der besten Note der Schule bestanden hatte. Er hatte ebenfalls angedeutet, dass er sie im Hinblick auf die Zukunft des Konzerns für einen Posten im Auge hätte. Auch Ernsts Bruder Hugo hatte einen Sohn, Waldemar, der wiederum Vater einer Tochter und eines Sohnes war. Waldemar saß bereits seit längerer Zeit im Vorstand, doch seine Kinder waren mehr als zehn Jahre jünger als Ella und kamen damals für geschäftliche Zusammenhänge noch nicht in Frage. Judit und Grete hingegen waren im Hinblick auf Ellas Abitur mit allen Vorbereitungen, die ihnen am wichtigsten erschienen, so beschäftigt gewesen, dass ihnen Ellas Notendurchschnitt glatt entging. Sie verwendeten große Mühe auf Ellas Festtagsgarderobe und den aufwändigen Empfang, der sie in der Wohnung ihrer Großeltern erwartet hatte.
    Der Gedanke an die Wohnung erinnerte Ella daran, dass sie gezwungen war, sich eine neue Bleibe zu suchen, eine Vorstellung, die ihr Angst machte und gleichzeitig gefiel. Sie schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf ihre Website.
    An diesem Tag war sie eigentlich eher darauf aus, die Entwicklung der Gebote für einen fantastischen Barockspiegel mit blauem Glas zu verfolgen, der, wie sie gelesen hatte, in dieser Woche zur Auktion stehen sollte. Sie hatte sich bereits entschieden, nicht mitzubieten. Das kostbare Stück war um 1730 angefertigt worden, und der Preis würde sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf Höhe des Jahreseinkommens

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