Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
Vom Netzwerk:
an.
    »Erinnerst du dich noch an den Mord im Hafen vergangenes Jahr?«
    Er nickte und kniff ein wenig die Augen zusammen.
    »Bojan Simic war der Hauptverdächtige, aber man konnte ihm nicht nachweisen, am Tatort gewesen zu sein. Zumindest reichte die Beweislage nicht für eine Anklage des Staatsanwalts.«
    Ella hatte längst aufgehört, Sachverhalte wie diese als Problem zu betrachten. Sie führte ihre Untersuchungen völlig unabhängig davon durch, wer des Verbrechens verdächtigt wurde.
    »War er etwa der, der seinem Opfer beinahe den Kopf abgetrennt hätte?« Davids Augen waren jetzt weit aufgerissen.
    Ella lächelte. Ihr junger Kollege hatte noch einiges über die Abläufe innerhalb des Rechtssystems zu lernen.
    »Bojan Simic war in diesem Mordfall zwar der Hauptverdächtige, aber wer nun tatsächlich das Messer in der Hand hatte, wissen wir nicht.« Sie machte eine kurze Pause und erinnerte sich plötzlich daran, dass Bojan einen Bruder hatte, der mindestens genauso gewalttätig war wie er selbst.
    »Der Versuch, seinem Opfer den Kopf abzutrennen, wurde übrigens erst unternommen, nachdem man ihm in die Brust geschossen hatte«, fügte sie hinzu. »Die Schussverletzungen an den Brustorganen waren umfassend, und das eine Lungenfell war mit Blut gefüllt, was nicht der Fall hätte sein dürfen, wenn man ihm zuerst die Halsschlagader durchtrennt hätte.«
    Ella hatte die Obduktion gemeinsam mit Simon Anfang des vergangenen Jahres durchgeführt. Das Opfer hatte für die Brüder Simic gearbeitet, doch nach Aussage der polizeilichen Ermittler war der Mann in Ungnade gefallen. Er wurde in einer verlassenen Lagerhalle am Hafen gefunden. Mit drei Schüssen in der Brust und umfangreichen Verletzungen am Hals. Nach Ellas Beurteilung hatte der Täter beabsichtigt, sein Opfer zu enthaupten, was ihm jedoch nicht gelungen war. Sie hatte unzählige Schnittverletzungen an der Wirbelsäule gefunden. Die Person, die das Messer benutzte, hatte die Halswirbel wahrscheinlich nicht miteinkalkuliert.
    »Du hast gerade ein Rechtsgutachten verfasst, das durchaus ausreichen könnte, um Bojan Simic zu verurteilen«, fasste Ella nüchtern zusammen.
    Ihre Munterkeit färbte allerdings offenbar nicht auf ihren jüngeren Kollegen ab. David saß zusammengesunken auf seinem Stuhl und starrte auf die Fotos vor sich. Ella beugte sich über ihn.
    »Darin liegt die Ironie unserer Arbeit«, sagte sie leise. »Man weiß nie, welcher Fall möglicherweise absolut entscheidend für das Leben eines anderen sein kann. Man verwendet oft mehrere Wochen Arbeit auf einen viel beachteten Mordfall, aber am Ende wiegt die Misshandlung einer Ehefrau schwerer. Uns bleibt nichts anderes, als die Fragen, die uns die Polizei und die Staatsanwaltschaft stellen, nach bestem Wissen zu beantworten«, fuhr sie fort. »Was mit unseren Gutachten geschieht, nachdem sie unser Gebäude verlassen, unterliegt nicht mehr unserem Einfluss.«
    David trottete zurück zu seinem Zimmer. Ella wusste, dass sie vermutlich die Spezialistin war, die das Rechtsgutachten gemeinsam mit ihm unterzeichnen würde. Die Rechtsgutachten der weniger erfahrenen Assistenzärzte wurden immer auch von einem Spezialisten unterzeichnet. Im Hinblick auf das Gutachten, das sie gerade besprochen hatten, hegte sie keinerlei Bedenken. Die Verletzungen der Frau waren typisch für eine Misshandlung, und der längliche blaue Fleck auf ihrer Wange war die Folge einer Ohrfeige – ausgeführt mit einer Hand, die einen Ring trug. Wenn David beim Erstellen des Gutachtens nicht denselben Schluss ziehen würde, würde sie ihm etwas auf die Sprünge helfen müssen.
    Ella unternahm einen neuen Versuch, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Nach dem Mittagessen gab sie schließlich auf und verließ das Büro. Auf dem Nachhauseweg nahm sie einen Umweg, um zu den Fenstern hinaufschauen zu können, durch die sie bald selbst hinausschauen würde. Auf den Straßen herrschte kaum Verkehr, und sobald sie an ihre neue Wohnung dachte, war ihre Müdigkeit wie weggeblasen. Vor dem Haus stand ein Wagen, der Ella nur allzu bekannt war. Die Transporteure oder sogenannten Bestatter bezeichneten ihr Fahrzeug als einen Polizeiwagen, doch für die Allgemeinheit würde es vermutlich immer ein Leichenwagen bleiben. Der große graue Volvo hatte direkt vor dem Eingang geparkt. Die hinteren Seitenscheiben waren mit den typischen fächerförmigen Jalousien versehen, und Ella parkte auf der Straße direkt hinter ihm. Als die dunkel gekleideten

Weitere Kostenlose Bücher