Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
verständnislos an.
»Ich kenne Sie vom Kurs in der Rechtsmedizin«, sagte er mit selbstzufriedener Miene.
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie sachlich.
Er trat in einer Art und Weise auf, die den Eindruck von Selbstgefälligkeit erweckte. Sie erwog kurz, ihm zu erklären, wie man diesen Todesfall korrekterweise hätte behandeln müssen, hielt sich jedoch zurück. Auch wenn sie es genossen hätte, ihn zurechtzuweisen, ließ sie die Gelegenheit verstreichen. Denn sonst hätte der Todesfall polizeilich gemeldet werden müssen, und Lovisa würde auf ihrem Obduktionstisch landen.
»Ich bin überzeugt davon, dass Sie es genauso gemacht haben, wie Sie es im Kurs gelernt haben«, sagte sie stattdessen und lächelte.
»Es kann schon sein, dass ich während des Kurses hin und wieder etwas abgelenkt war, aber an das Ausstellen des Totenscheins erinnere ich mich noch gut.«
Ella betrachtete den jungen Arzt mit zunehmender Irritation. Er gehörte bestimmt zu denen, die bereits während des Studiums Hemd und Krawatte trugen. Trotz seines jungen Alters hatte er außerdem schon einen ordentlichen Bierbauch. Er erinnerte sie an solche Studenten, die bereits früh von ihrer eigenen Größe überzeugt waren und sich benahmen, als wären sie längst Oberärzte.
»Wissen Sie, ob ihre Angehörigen schon informiert wurden?«, fragte Ella beherrscht.
Er stand immer noch in der Türöffnung und lächelte sie ruhig an. Er wirkte ziemlich selbstsicher, wie er dort stand und ihren einzigen Fluchtweg aus dem Zimmer blockierte.
»Den Vermerken in ihrer Akte zufolge, die uns im Behandlungszentrum vorliegt, starb ihr Mann bereits vor vielen Jahren, und sie hatten keine Kinder. Offenbar hatte sie eine Schwester, aber in den Akten stand nicht, ob sie noch lebt. Der Arzt, der sie während der vergangenen Jahrzehnte betreut hat, hat mir versichert, der Sache nachzugehen.«
Immerhin hatte er sich informiert. Das musste Ella zugeben. Denn es kam nur allzu oft vor, dass der diensthabende Arzt die Akte überhaupt nicht gelesen hatte. »Bei diesem prunkvollen Gebäude hätte ich mir von der Wohnung aber etwas mehr versprochen«, merkte er an und sah sich um.
Erst jetzt sah Ella, dass der Vorhang vor der Tür zum großen Saal zugezogen war und die Besucher ihn gar nicht bemerkt hatten. Sie beschlich das unangenehme Gefühl, dass sowohl das Ausräumen der Wohnung als auch das Putzen vor ihrem Einzug am Wochenende bereits organisiert waren, und war sich ziemlich sicher, wer dies organisiert hatte.
»Es ist nicht alles so, wie es aussieht«, sagte sie verhalten.
Doktor Lindmark legte den Kopf schief und betrachtete sie. Die Situation war für sie ungewohnt, und sie kam sich irgendwie lächerlich vor. Sie bekam Zweifel wegen ihres Make-ups und bereute bitter, dass sie die tief ausgeschnittene Strickjacke angezogen hatte. Schließlich schob sie sich an ihm vorbei, während er keinerlei Ansätze machte, zur Seite zu treten, und um nicht seine Brust mit dem Gesicht zu streifen, drehte sie ihm den Rücken zu, als sie an ihm vorbeiging, was nicht gerade weniger unangenehm war. Ihr Puls raste, als sie sich rasch entschuldigte und die Wohnung verließ. Draußen im Treppenhaus drückte sie ungeduldig auf den Fahrstuhlknopf und betete, dass der junge Arzt sie nicht einholen würde. Doch als sie gerade das Licht des Fahrstuhls erkennen konnte, kam er ebenfalls aus der Wohnung. Er lächelte selbstzufrieden und fuhr sich mit der Hand durch das zurückgekämmte Haar.
Ella stieg in den Fahrstuhl und sah sich verzweifelt um. Ihr Blick blieb an einem kleinen Schild ganz oben in dem alten Fahrkorb hängen, woraufhin ihr ein kindischer, aber durchaus nützlicher Gedanke kam.
Mit einer bedauernden Miene sah sie zu dem Schild hoch und tat so, als verinnerliche sie dessen Bedeutung: »Maximallast 225 kg«. Und bevor der Kollege sich in den Fahrstuhl schieben konnte, schob Ella die Gittertür vor seinen Augen zu.
»Ich denke, wir sollten die Stabilität dieses alten Aufzugs lieber nicht auf die Probe stellen«, erklärte Ella besonnen und drückte auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Mit einem Ruck setzte sich der Fahrkorb in Bewegung und begann langsam durch den engen Fahrstuhlschacht hinunterzusinken, während der verblüffte junge Mann befremdet oben stehen blieb. Als sie ausstieg, konnte sie es sich nicht verkneifen, die Gittertür ein wenig offen zu lassen, sodass der Fahrstuhl im Erdgeschoss stehen bleiben würde, bis sie jemand schloss. Bereits als sie ihren Wagen
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