Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
schon …«
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche«, hakte Kullmer nach, »aber was meinen Sie mit nachlässig?«
»Ach, Sie wissen schon, die jungen Leute heutzutage eben.« Sie winkte verächtlich ab. »Den ganzen Tag in der Bude, kümmert sich nicht ums Haus, aber abends dann geht es los und erst frühmorgens wieder heim. Wenn das die Eltern wüssten.«
»Was ist denn mit den Eltern?«, fragte Kullmer vorsichtig. Er erinnerte sich daran, dass Frau Bertram unter Asthma litt, aber so alt waren die Bertrams nun auch wieder nicht.
»Die sind in Island. Reizklima, Sie wissen schon. Für mich wäre das ja nichts, also nicht im Hochsommer …«
Während die Nachbarin weiter vor sich hin plapperte, über ihren letzten Urlaub, den verkommenen Garten, ihren Sohn Rüdiger und den Verfall der Gesellschaft, hatte Kullmer sich längst mit einem Lächeln ausgeklinkt.
»Danke vielmals, Sie haben uns sehr geholfen«, lächelte er die verdutzte Frau an, die mitten in einem Satz war, und streckte ihr erneut die Hand entgegen. »Würden Sie mir noch Ihren Namen verraten? Nur für den Fall, Sie wissen schon.«
»Äh, natürlich, Klara von Diethen, schräg gegenüber.«
Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ein klobiges Haus, zweifelsohne eines der neueren Objekte, wenig Schnörkel, keine Jugendstilelemente und zur Straße hin hauptsächlich schmale Fenster, die an Schießscharten erinnerten. Ein echter Beobachtungsbunker, dachte Kullmer, ungemütlich, abgeschottet und kalt. Die elegante Bertram-Villa dagegen hätte er sofort bezogen; und Doris bestimmt auch.
»Dann gebe ich Ihnen noch meine Karte und würde Sie bitten, sich zu melden, sollte Ihnen etwas Ungewöhnliches auffallen. Oder falls Alexander Bertram zurückkehrt.«
»Ja, danke«, erwiderte Klara von Diethen. Dann, wieder mit spitz gezogenem Gesicht, ergänzte sie: »Aber ich kann mich jetzt nicht den ganzen Tag hinsetzen und hier hinüberschauen.«
»Natürlich nicht«, wehrte Kullmer ab. »Das erwartet auch niemand von Ihnen.«
Obwohl ich meinen Arsch drauf verwetten würde, dass du genau das tun wirst.
Nachdem auch das dritte Klingeln keinen Erfolg gebracht hatte, umrundeten Hellmer und Kaufmann das Haus, während Peter Kullmer in seinem Handy die Nummer von Julia Durant suchte. Mist, schon wieder verkehrt, rügte er sich, nachdem er bereits auf »Wählen« gedrückt hatte, und brach den Vorgang ab. Wenn man Julia im Büro erreichen wollte, musste man auf Bergers Kurzwahl drücken, diesen Fehler hatte er vor einer Stunde schon einmal begangen.
Also noch mal, Kurzwahl »Berger, Büro«, drei Freizeichen, dann erklang Julias Stimme. »Durant?«
»Grüß dich, ich bin’s, Peter.«
»Hallo. Na, was gibt’s?«
»Keiner zu Hause in der Bertram-Villa. Die Eltern sind im Urlaub, von Alexander nichts zu hören und nichts zu sehen. Angeblich haut er sich die Nächte um die Ohren, zumindest, wenn man dem Hausdrachen von gegenüber Glauben schenken darf.«
»Hmmm, okay«, dachte Julia laut und machte eine kurze Pause. »Dann können wir momentan nicht viel machen.«
»Wie bitte?«, entfuhr es Peter Kullmer ungläubig. »Schick uns einen Schlüsseldienst rüber, und wir stellen die Bude auf den Kopf!«
»Sachte, sachte«, wehrte die Kommissarin ab. »Aufgrund welcher Sachlage soll ich das denn anordnen?«
»Na, immerhin haben wir einen flüchtigen Verdächtigen, was brauchst du denn noch?«
»Wessen verdächtigst du den jungen Bertram denn? Und sag jetzt bloß nicht: ›Weil er den Stiegler ermordet hat‹!«
»Aber wir müssen doch alle Möglichkeiten prüfen!«, hielt Kullmer verärgert dagegen und bereute schon, Durant überhaupt angerufen zu haben. Diese Chefallüren passten überhaupt nicht zu ihr.
»Peter, ich kann sehr gut nachvollziehen, dass du am liebsten die Tür eintreten würdest, glaub mir, das ginge mir an deiner Stelle ganz genauso. Aber bevor Bertram nicht vierundzwanzig Stunden vermisst wird, ist da leider nichts zu machen.«
Insgeheim wusste Peter Kullmer, dass Julia recht hatte. Sie hatten nichts in der Hand außer einer vagen Verbindung, die sich noch immer als reiner Zufall herausstellen konnte. Die Visitenkarten von iTeX24 waren bestimmt über die ganze Stadt verteilt. Aber in just diesem Moment verlangte es Kullmer nach einer Erklärung, und er beendete das Gespräch mit einem unguten Bauchgefühl.
»Abflug, Leute«, sagte er zerknirscht.
»Wie jetzt?«, fragte Sabine Kaufmann ungläubig, und auch Hellmer zog fragend die
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