Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
jungen, vor Energie strotzenden Hengstes, der ihm da gegenübersaß. Kullmer vertrieb seinen Frust, immerhin konnte er sich durchaus noch sehen lassen und stand finanziell nicht unbedingt schlecht da. Eine exotische Pflanze und ein bisschen Feng-Shui machen einen Mann noch lange nicht zum Vorbild, zum Rollenmodell, wie es in der Erziehungswissenschaft so schön hieß. Oh, was war nur aus dem alten Gigolo geworden …
»Wie ich eingangs bereits sagte«, setzte Kullmer an, »ermitteln wir in einem Mordfall.« Er schob das Foto von Carlo Stiegler über die Tischplatte. »Ihre Kontaktdaten fanden wir bei dem Toten zu Hause, genau gesagt in dessen Arbeitszimmer.«
Er beobachtete die Reaktionen seines Gegenübers, spähte nach verdächtigen Zuckungen, einem Stirnrunzeln, vor Schreck geweiteten Pupillen oder Ähnlichem. Doch es geschah nichts, was von einer normalen Reaktion abwich. In Kaulbachs Gesicht spiegelten sich, wenn überhaupt, nur Mitgefühl, Neugier und Aufmerksamkeit.
»Schreckliche Sache«, begann er. »Und wie, sagten Sie, hieß der junge Mann?«
»Stiegler, Carlo Stiegler. Wohnhaft im Riederwald.«
»Ah, bei der Eintracht«, lächelte Kaulbach, und Kullmer wusste sofort, worauf er anspielte. Seit fast zwei Jahren wurde auf dem alten Vereinsgelände emsig gebaut, und in ein paar Wochen sollte das neue Sportleistungszentrum eingeweiht werden.
»Spielen Sie auch?«, wollte Kullmer wissen.
»Habe dieses Jahr aufgehört«, antwortete Kaulbach mit wehleidigem Blick. »Knieverletzung.«
»Verstehe. Aber eigentlich meinte ich die andere Straßenseite, in dem Wohnviertel in der Motzstraße.«
»Ich kann das gerne nachprüfen«, sagte Kaulbach, »aber eigentlich kenne ich die meisten unserer Kunden. Dieses Gesicht allerdings«, er deutete auf das Foto, »habe ich hier noch nie gesehen.«
»Was ist mir Ihren Mitarbeitern?«
»Frage ich sofort, kein Thema.« Er drückte auf eine Kurzwahltaste, es dauerte einen Augenblick, dann sprach er in den Hörer: »Kommt ihr bitte mal in mein Büro? Kurze Besprechung, muss aber sofort sein. Danke.«
Kaum dreißig Sekunden später öffnete sich die Tür, ein junger Mann trat ein, klein, Brille, Sommersprossen, struppiges, rotblondes Haar, blaues Hemd, Stoffhosen und Turnschuhe. So sahen für Kullmer typische Computerfuzzis aus. Unmittelbar darauf folgte ein weiterer Mann, ebenfalls zirka Mitte zwanzig, größer als der erste, hager, dunkle Haare und Augen.
»Thomas, Mike, das ist Kommissar Kullmer«, stellte Kaulbach seinen Besucher vor, »er hat ein paar Fragen. Kommt Alex auch?«
»Der ist nicht da«, erwiderte der Dunkelhaarige.
»Hm. Gut.« Kaulbach runzelte die Stirn. »Dann sind wir erst mal komplett. Herr Kullmer, das sind Thomas Petersen und Kai-Michael ›Mike‹ Hausmann.«
»Guten Tag, Peter Kullmer vom K 11. Es geht um diesen Mann hier«, Kullmer stand auf, nahm das Foto und hielt es den beiden vor die Nase. »Carlo Stiegler. Sagt Ihnen das was?«
Kopfschütteln, Schulterzucken. Beide Männer verneinten und zeigten ebenso wie ihr Chef keine verdächtigen Regungen im Gesicht. Wieder eine Sackgasse.
»Danke, dann war es das schon wieder. Sie können weiterarbeiten, eventuell komme ich nachher noch einmal bei Ihnen vorbei, bitte halten Sie sich also zur Verfügung.«
»Okay«, murmelte der dunkelhaarige Mike, Thomas nickte.
»Moment«, sagte Kaulbach, »was ist denn mit Alex? Der hat doch auch einen Stamm an Privatkunden.«
Mikes Blick verdüsterte sich. »Der hätte längst hier sein sollen, wir wollten heute an der PeNI-Datenbank arbeiten«, murrte er. »Habe keine Lust, das alles alleine zu machen.«
»Hat er sich krankgemeldet?«
»Nein, zumindest nicht bei mir.«
»Hm, das ist eigenartig«, wunderte sich Kaulbach. »Habt ihr es mal bei ihm probiert?«
»Ja, geht aber nur die Mailbox dran«, reagierte Thomas mit einem ratlosen Schulterzucken.
»Haben Sie eine aktuelle Adresse von Ihrem Angestellten?«, warf Kullmer ein. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, besteht noch die Chance, dass unser Mordopfer zu seinem Kundenstamm gehört.«
»Ja, das wäre zumindest die einzige Erklärung, warum unsere Nummer bei dem Opfer auftauchte. Die Möglichkeit einmal ausgeklammert, dass es überhaupt noch keinen persönlichen Kontakt gab. Vielleicht war dieser Carlo ja bislang nur an unserer Dienstleistung interessiert, hatte aber noch keinen Kontakt hergestellt.«
»Das finden wir schon raus«, lächelte Kullmer. »Verraten Sie mir nur einmal die
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