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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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geglaubt, an alles gedacht zu haben!
    Ann bemühte sich, die Finger ihrer rechten Hand vorsichtig zu beugen: Sie bewegten sich wirklich ein bißchen, aber es kam ihr so vor, als zerrissen sie dabei die Nerven in ihrem rechten Ellenbogen. Der Schmerz war unerträglich, und Ann hatte eine extrem hohe Schmerzgrenze! Beim Zahnarzt zum Beispiel hatte sie sich nie eine Spritze geben lassen, wenn sie eine neue Füllung bekam.
    Aber wenn der Schmerz unerträglich war, dann würde sie ihn eben erträglich machen, nahm sie sich vor. Wieder bewegte sie die Finger und beugte ihren verletzten Arm, wobei sie buchstäblich hören konnte, wie die Knochen aneinanderknirschten.
    Gott, bin ich so böse, daß du mir das antun mußt?
    Sie biß sich auf die Lippe, und das Blut in ihrem Mund schmeckte salzig. Sie hatte keine Zeit, sich zu bemitleiden, und Gott hatte mit ihren Problemen nichts zu tun. Sie selbst war es gewesen, die all diese Dinge ins Rollen gebracht hatte, nur hatte sie leider keine Gelegenheit zu einer Generalprobe gehabt!
    Ann begriff nicht, was Paul dort oben tat – warum konnte er nicht spüren, daß das Seil noch gespannt war? So, wie es hin und her sprang, mußte er gerade versuchen, den Felshaken aus der Wand zu ziehen – also hieß es für sie, schnell zu handeln. Zu allem Übel begann ihr Schwung nachzulassen, und bald würden die kantigen Felsen ihren einzigen Landeplatz darstellen!
    Ann zwang sich, ihren rechten Arm dem Fanggurt zu nähern. Eine Woge glühenden Schmerzes schoß ihren Arm hinauf bis ins Gehirn, und sie konnte ein Wimmern nicht unterdrücken, das in ihren eigenen Ohren jämmerlich klang. In dem schwachen Licht konnte sie mit Mühe erkennen, wann ihre Fingerspitzen den Verschluß berührten, der geöffnet werden mußte. Doch sie fühlte die Berührung nicht, sie sah sie nur. Schluchzend vor Schmerzen bewegte sie ihre Finger langsam auf ihren Mund zu. Sie hatte nicht vor zu sterben, und sie würde nicht sterben!
    Ann biß in ihre Finger, bis sie zu bluten begannen, und diesmal schmeckte das Blut bitter und salzig zugleich. Aber immerhin fühlte sie den Abdruck ihrer Zähne, und das war schon ein Grund, dankbar zu sein. Sie preßte ihre Fingerspitzen wieder gegen den Verschluß und fühlte auch ihn – ein schmales Metallband, bedeckt mit einer klebrigen Flüssigkeit ihrem Blut…
    Jetzt packte sie mit der Linken das Seil und blickte hinunter: Sie schwang gerade wieder auf den Fluß hinaus. Es war wichtig, daß sie kurz vor dem Scheitelpunkt ihres Schwungbogens losließ, und sie begann in Gedanken zu zählen: eins, zwei drei!
    Ann öffnete den Haken mit ihrer rechten Hand und zog sich mit der linken gleichzeitig ein Stück am Seil hoch, um den Druck vom Verschluß zu nehmen. Der Haken am Ende des langen Seils glitt aus dem Ring, und im selben Augenblick öffnete Ann den Griff ihrer linken Hand und riß sich los. Sie begann zu fallen, aber diesmal blieb ihr keine Zeit zum Denken, geschweige denn zu einem Schrei!
    Sie traf in einem günstigen Winkel auf die Wasseroberfläche auf, mit den Füßen zuerst. Weil jedoch ihr Sweatshirt, ihre Jacke und ihre dicke Unterwäsche immer noch bis irgendwo am oberen Teil ihres Rückens hochgeschoben waren, floß das eisige Wasser direkt über ihren nackten Oberkörper und ließ sie augenblicklich vor Kälte erstarren.
    Sie tauchte tief ein, mindestens drei Meter unter die Oberfläche, ehe ihre Füße den Boden berührten. Sehen konnte sie nichts – und sie fühlte nur die eisige Kälte und den beklemmenden Druck des Wassers. Jetzt hatte die Strömung sie erfaßt, und sie konnte nur hoffen, daß ihre Anstrengungen nicht doch umsonst gewesen waren – vielleicht hätte sie besser bleiben sollen, wo sie war? Sich das Rückgrat zu brechen war wahrscheinlich dem Tod durch Ertrinken um einiges vorzuziehen – aber jetzt hatte sie keine Wahl mehr; sie mußte atmen! Verzweifelt arbeitete sie sich nach oben…
    Doch damit war es nicht getan, denn im selben Moment, als sie sich gerade aus der eisigen Schwärze befreit hatte, wurde sie auch schon wieder nach unten gerissen – und wieder hoch und gleich wieder abwärts. Die hastigen Atemzüge, die sie hin und wieder tun konnte, füllten ihre Lungen mit ebensoviel Wasser wie Sauerstoff, und sie begann zu husten.
    Es war nicht schwer zu erraten, was vor sich ging: Paul kämpfte immer noch mit dem Haken, und sie selbst war durch das zweite Seil immer noch mit dem ersten verbunden.
    Sie hätte das zweite nicht an ihrem Fanggurt

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