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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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befestigen dürfen! Jetzt war sie ein sterbender Fisch, der hilflos am Ende einer hundertfünfzig Meter langen Angelschnur zappelte!
    Ann hätte in diesem Augenblick sterben können – es wäre ein schrecklicher Tod gewesen, aber wenigstens ein Ende ihrer Qualen. Doch sie weigerte sich, aufzugeben. Mit ihrem linken Arm zog sie sich am Seil entlang auf das Ufer zu, was bedeutete, daß sie gegen die wilde Strömung angehen mußte. Sie kam vielleicht einen Meter weit bevor sie einsah, daß es aussichtslos war. Sie fühlte sich schon vollkommen erschöpft, und das Ufer war mehr als zehn Meter entfernt. Dann plötzlich sah Ann einen Felsblock mitten im Fluß, dessen Oberfläche trocken war. Er ragte links von ihr aus dem Wasser, ein Stück weiter zur Mitte hin; aber es waren nur drei Meter bis dorthin, und wenn man kurz davorstand zu ertrinken, zählte das eine Menge! Ann arbeitete sich mit all ihrer verbliebenen Kraft darauf zu, indem sie sich immer wieder mit den Füßen abstieß, und sie hatte den Felsen innerhalb von Sekunden erreicht. Seine Rückseite fiel zum Wasser hin etwas sanfter ab und wies einige Vorsprünge auf, an denen Ann sich festhalten konnte. Sie schaffte es wirklich, sich aus der reißenden Strömung hochzuziehen, und blieb erst einmal einige Minuten liegen, um wieder zu Atem zu kommen.
    Kaum hatte sie Zeit gehabt, den frischen Sauerstoff zu genießen, der in ihre Lungen strömte, da fiel das lange Seil vom Himmel und landete in einem chaotischen Haufen am Fuß der Klippe.
    Zu spät, Paul!
    Sie würde ihn später deswegen zur Rede stellen, nahm sie sich vor, aber jetzt mußte sie so schnell wie möglich ans Ufer und in Sicherheit gelangen, bevor die andern unten ankamen und bevor sie sich zu Tode fror – was auch immer als erstes geschehen würde. Sie zitterte entsetzlich, aber das würde vergehen, wenn sie zum Wagen zurücklief.
    Es dauerte nicht lange, bis Ann einen Weg gefunden hatte, ans Ufer zu kommen: ihr genau gegenüber stand ein besonders hoher, schmaler Felsen, nicht weit von der Stelle, wo sie sich nachmittags gesonnt hatte. Wenn sie eine Schlaufe um diesen Felsen werfen konnte – und sie hatte reichlich Seil, um es zu versuchen –, konnte sie sich anleinen und sich von der Strömung hinübertragen lassen. So würden die reißenden Stromschnellen diesmal ihre Helfer sein.
    Ann löste den Verschluß an ihrem Fanggurt und machte einen kleinen Knoten in das Seil etwa einen Meter vom Ende entfernt bevor sie den Verschluß hinter dem Knoten wieder befestigte. Der Knoten sollte verhindern, daß die Schlinge sich schon über dem Wasser zuzog, ehe sie den Felsen erreicht hatte. Doch Ann machte den Knoten nicht so dick, daß der Verschluß nicht mehr darübergleiten konnte, wenn sie später am Seil zog.
    Jetzt besaß sie einen doppelten Vorteil, als sie sich vorsichtig aufrichtete und das Lasso in ihrer Hand zusammenrollte. Die andern würden für den Weg nach unten mindestens vierzig Minuten brauchen, also hatte sie genug Zeit für ihre Versuche, die Schlinge um den Felsblock zu werfen. Und es machte nicht viel aus, daß ihr rechter Arm gebrochen war, denn sie war Linkshänderin.
    Zehn Minuten später hatte sie es geschafft, und es war gut daß sie nicht länger gebraucht hatte: Das eisige Wasser hatte ihren rechten Arm für eine Weile betäubt, aber durch die Bewegung kehrte das Gefühl in ihn zurück, und jeder Schwung verursachte ihr große Schmerzen.
    Glücklicherweise traf sie gleich beim erstenmal den Felsen so, daß die Schlinge sich um den Stein legte und bis auf den Boden fiel. Endlich begannen die Dinge sich für Ann günstig zu entwickeln!
    Genau wie sie es vorausgesehen hatte, glitt der Verschluß über den Knoten, als sie am Seil ruckte, und die Schlinge zog sich zu, bis sie richtig festsaß. Ohne Zeit zu verlieren band Ann sich das Seil um die Hüften – es war gut, endlich von hier fortzukommen!
    Sie sprang ins Wasser; es war kalt, aber es schien ihr nicht halb so eisig wie beim erstenmal, und außerdem dauerte ihr unfreiwilliges Bad diesmal nur zwei Sekunden: Die Strömung tat genau, was sie sollte!
    Einen Augenblick später stand Ann tropfnaß auf den Felsen am Flußufer. Sie ließ das Seil von ihren Hüften fallen und fühlte sich wunderbar befreit. Doch sie konnte es nicht dort liegenlassen, sondern mußte es mitnehmen. Langsam begann sie, es aufzurollen und es sich um den Hals zu legen, und sie konnte kaum glauben, wie schwer hundertfünfzig Meter nasses Seil wogen! Zwei

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