Todesmuster
Keiner lacht.
»Das meiste haben wir.« Beckmann faltet den Zollstock zusammen. »Spurenmäßig sind wir fertig«, er zeigt mit dem Zollstock auf den Pfeiler, »aber ein paar weitergehende Untersuchungen können wir nur in der Dienststelle machen.« Halbe Drehung nach hinten. »An der Wand und den Ringen haben wir mit Sicherheit Hautanhaftungen vom Opfer. An der Stütze müssen wir mal sehen.«
Voll ausgeleuchtet wirkt der Raum viel kleiner, gar nicht mehr so bedrohlich. Aber hier bei völliger Schwärze rumzuliegen, gefesselt … Das muss der doch gekannt haben, hier. So einen Ort sucht sich doch keiner zufällig für ein Verbrechen aus. Das war mit Sicherheit einer aus der Gegend.
Schwarz. Auch nach Stunden nur Schwarz. Kein Zeitgefühl. Die Fesseln schneiden in die Handgelenke, die Auflagestellen am Hintern schmerzen. Kälte, Zittern. Schwarz. Warten. Irgendwann Licht. Keine Worte. Metall glänzt, Schreien, Schmerzen, Schwarz.
Rufen im Gang. Das ist doch jetzt wohl keiner von den Presseleuten. Die werden auch immer dreister. Aus dem Gegenlicht wird langsam Försters Gestalt deutlich.
»Ist ja ein Ort für Horrorfilme, hier.« Er sieht sich um, inspiziert die Kammer. »Hier ist es passiert?«
»Hier ist es passiert.« Müller, beiläufig, mit wichtigem Unterton.
»Bis jetzt haben wir nur den allgemeinen Müll gefunden, aber drüben, von der Landstraße her, haben wir an einem kleinen Abhang eine Fahrzeugspur entdeckt. Könnte sein, dass die interessant ist. Sieht aus wie von ’nem Allrad. Außerdem könnt ihr euch noch zwei, drei andere Spuren ansehen.«
»Will einer von euch gleich mitkommen?«
»Kleinen Augenblick noch, dreißig Sekunden, dann schau ich mir das mal an.« Müller stellt seinen Fotoapparat ein, Blitze, fertig.
Draußen hinter dem Flatterband ein dritter Zeitungsfritze, noch nie gesehen. Förster geht den Trampelpfad voran. Auf der Kuppe eine kleine Schneise. Schöner Blick auf das Dorf, weiter hinten ein Trecker mit Anhänger auf dem Feld. Weiter.
Unter einer Fichte braune Pilze. Unten ein Waldweg mit festgefahrener Erde, zwei Fahrspuren. Förster biegt links ab. Nach hundert Metern ein junger Kollege, wartet. Förster dreht sich mit einem überlegenen Lächeln um.
»Na, wo isses?« Der junge Kollege beginnt zu grinsen.
Auf dem Weg nur festgefahrener Schotter, den Abhang hoch hohe Tannen mit langen Zweigen bis zum Boden, dicht, dazwischen Gras. Nichts zu sehen.
»Komm, mach’s nicht so spannend, wird zeitig dunkel.« Er geht einige Meter links den Abhang hoch, biegt Zweige auseinander, dahinter eine Laube. Meine Güte, ist das steil. Zwei junge Kolleginnen sitzen auf einem Baumstamm, stehen auf. Eine mit dunkelbraunen Augen, der armdicke Pferdeschwanz fällt über die Schulter. Donnerwetter.
»Vorsicht, latscht da nicht rein.« Förster hält sie mit dem ausgestreckten Arm zurück. Tatsächlich. Im Gras und Laub sind vier Vertiefungen zu erkennen.
»Das ist eindeutig von einem Allrad.« Müller geht zu einer Vertiefung, kniet nieder. »Hier sieht man sogar noch ein wenig vom Profil. Hat wahrscheinlich einmal kurz durchgedreht wegen der Steigung.«
»Da vorne kann man sogar durchgehen und kommt dann oben auf die Kuppe.« Die dunkelhaarige Schönheit zeigt auf eine Lücke im Unterholz. »Könnte doch sein, dass er da durch ist, wenn er seinen Wagen hier hatte, brauchte er nicht über den Weg.«
»Gut möglich. Kann aber auch ein Jäger gewesen sein, der seinen Allrad hier geparkt hat.«
»Oder zwei wollten ganz einfach ein lauschiges Plätzchen zum Vögeln haben«, Müller, ohne hochzusehen. »Auf jeden Fall können wir uns die Sache mal etwas genauer ansehen.
Geht doch mal alle da runter auf den Weg.« Er zeigt mit der Linken.
»Seid ihr die Strecke bis zur Kuppe schon abgegangen?«
Die beiden Kolleginnen nicken. »Mit ’ner ganzen Gruppe sogar …«
»Und? Was gefunden?«
Sie schütteln die Köpfe, der Pferdeschwanz rutscht nach hinten. »Zwei alte Dosen, ein altes Fahrrad und eine uralte Zigarettenschachtel, aber nichts was aussah, als läge es erst ein paar Tage da.« Sie drehen sich um, gehen Richtung Weg, schützen sich vor zurückschlagenden Tannenzweigen.
»Wenn man das Ding genau vermisst, kriegen wir mit ’nem bisschen Glück sogar raus, was für ein Auto das war. Ich hole mal meinen Koffer.« Müller kratzt sich am Kopf, kommt mit zu den anderen.
Die jungen Kollegen stehen auf dem Weg, Förster beantwortet einen Funkspruch. Müller joggt den Weg entlang,
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