Todesnähe
ein Mord.»
Magozzi las die Nummer von der Anzeige ab. «Der Notruf ist es nicht und auch kein durchgestelltes Gespräch aus der Zentrale. Das ist ein direkter Anruf von außen.» Er nahm den Hörer ab und meldete sich. «Morddezernat Minneapolis, Detective Magozzi.»
«Hier spricht Detective Kramer vom Morddezernat Detroit. Ich kann mir denken, dass Sie heute alle Hände voll zu tun haben, aber hätten Sie vielleicht trotzdem ein paar Minuten Zeit für mich?» Der Anrufer klang angespannt, gereizt und ein wenig heiser, als hätte er gerade eine Kehlkopfentzündung hinter sich. Vielleicht aber auch nur eine durchsoffene Nacht.
Magozzi schwieg einen Augenblick. Morddezernat Detroit? Das war seltsam, und er überlegte, ob da vielleicht irgendein Scherzkeks durch den Filter gelangt war. Manchmal passierte das, vor allem nach aufsehenerregenden Fällen, die landesweite Beachtung fanden; aber dann hörte er, dass im Hintergrund zig Telefone klingelten und zahllose Stimmen sich Dinge zuriefen, die nur Polizisten rufen konnten. Der Anruf war echt, und in Detroit liefen die Geschäfte offenbar gut. «So viel Sie wollen, Detective Kramer. Lassen Sie mich kurz meinen Partner Gino Rolseth dazuschalten.» Er machte Gino Handzeichen, ebenfalls ans Telefon zu gehen, und kritzelte ihm kurz auf einen Notizzettel, mit wem sie es zu tun hatten.
Ginos helle Augenbrauen wanderten in die Höhe und formten lauter kleine Fragezeichen auf seiner Stirn, als er sich in das Gespräch einklinkte. «Morgen, Detective Kramer. Hier spricht Gino Rolseth.»
«Da bin ich ja froh, dass ich Sie beide erwische. Ich mache es kurz, aber ich wollte auf jeden Fall Rücksprache halten wegen dieser Terroristensache bei Ihnen, die gerade durch die Presse geht. Vielleicht ist es ja nur der verzweifelte Versuch eines Mordermittlers, seinen eigenen ungelösten Fall zu klären, aber ich habe hier bei mir in Detroit womöglich ein ziemlich seltsames loses Ende.»
Magozzi und Gino wechselten einen hoffnungsvollen Blick. «Und was für ein loses Ende?», fragte Magozzi.
Kramer atmete vernehmlich aus. «In einem Wort, einen toten Terroristen – ein Ägypter mit haufenweise Zutaten zum Bombenbau im Küchenschrank und dazu etwas al-Qaida-eigene Erbauungsliteratur. Sagt zumindest das FBI . Keine Verdächtigen. Ich weiß natürlich keine Einzelheiten über Ihren Fall, bis auf das, was heute in den Nachrichten kam, aber das entspricht doch irgendwie ziemlich genau Ihrem Szenario?»
«Stimmt.» Magozzis Hirn war innerhalb von Sekunden aus seinem frühmorgendlichen Trantüten-Modus erwacht. «Nur dass es bei uns
zwei
tote Terroristen sind, die wir offiziell natürlich noch nicht als Terroristen bezeichnen dürfen, und Somalier, keine Ägypter. Und sie saßen auf einem ganzen Berg Sprengstoff und Schusswaffen.»
«Der Terrorismus setzt halt auf Chancengleichheit.» Kramers Stimme troff vor Zynismus. «Bomben darf man immer legen, egal wo man herkommt.»
«Da ist was dran. Wie alt ist denn Ihr Fall?»
«Etwa anderthalb Monate. Mir ist klar, dass Sie wahrscheinlich noch nicht sehr weit sind, aber haben Sie so aus dem Stand schon irgendwelche brauchbaren Verdächtigen?»
«Nein. Und alles Beweismaterial ist jetzt beim FBI . Wir haben nur die Toten und die Mordwaffen, und das auch nur, weil sie im Vorgarten lagen. Falls es Hinweise im Haus gab, kriegen wir die erst zu Gesicht, wenn sich das FBI dazu herablässt, sie uns vorzulegen.»
«O ja, das kenn ich gut, aber das muss gar nicht so verkehrt sein. Die Rechner, die hier bei uns am Tatort beschlagnahmt wurden, haben eine Menge Mist ausgespuckt und zu mehreren Festnahmen in Detroit und Dearborn geführt. Und in Massachusetts. Wissen Sie, ich stehe kurz vor der Pensionierung und würde mich gern mit der makellosen Liste gelöster Fälle verabschieden, die ich bisher hatte, aber bei diesem Fall wäre ich gar nicht traurig, wenn er ungelöst bleibt. Für mich ist nur ein toter Terrorist ein guter Terrorist, und dafür hat hier jemand gesorgt. Trotzdem würde ich gern wissen, welche Sorte Verbrecher seine Opfer mit einer Garrotte erdrosselt.»
«Mit einer Garrotte?», wiederholte Gino fassungslos. «Sie meinen, mit so ’ner Art Klaviersaite?»
«Genau. Das hatte ich noch nicht erwähnt. Aber der Gerichtsmediziner hat die Todesursache eindeutig bestätigt. Verstehen Sie jetzt, was ich vorhin mit ziemlich seltsam meinte? Ähnliches Szenario, aber unterschiedliche Mordmethoden. Nichts, womit wir arbeiten könnten.
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