Todesnähe
hier ganz gut mit Gefahren umzugehen. Sie können keinen Ort finden, der sicherer wäre. Erzählen Sie mir doch einfach die lange Version der Geschichte, dann kann ich besser beurteilen, womit wir es hier zu tun haben.»
Magozzi und Gino seufzten tief auf, dann machten sie sich daran, abwechselnd von Smith zu erzählen, aber während sie redeten, mussten sie feststellen, dass es eigentlich gar keine lange Geschichte war. Am Ende lief ihr gesammeltes Wissen nur darauf hinaus, dass Smith und womöglich auch jeder, der ihn kannte, eine Zielscheibe auf die Stirn tätowiert hatte. Dass Grace den Mordversuch an Smith verhindert und die beiden Männer getötet hatte, behielten sie für sich, und obwohl der Chief spürte, dass sie etwas ausließen, drang er doch nicht weiter in sie. Als guter Polizist wusste man, wann man Informationen erzwingen sollte und wann man es besser sein ließ, und im Lauf des Berichts stellte sich sehr klar heraus, dass der Chief ein guter Polizist war: Er stellte genau die richtigen Fragen.
«Nur noch mal für mich zum Rekapitulieren: Zwei Araber haben versucht, einen pensionierten FBI -Agenten umzubringen, der mit Ihrer Freundin Grace beim Segeln war, und nachdem Sie diesen Teil der Geschichte nicht zu Ende erzählt haben, kann ich mir in etwa vorstellen, was aus ihnen geworden ist.»
Gino und Magozzi zeigten keine Regung und offenbarten damit sehr viel mehr, als wenn sie einen Blick gewechselt hätten. Der Chief ließ das auf sich beruhen und fuhr fort.
«Anschließend wird der Inhaber des Yachthafens ermordet, vermutlich im Rahmen der Suche nach Smiths Aufenthaltsort, und Sie glauben jetzt, Ihre Freunde sind die Nächsten auf der Liste, weil sie ebenfalls mit ihm zu tun hatten.»
«Genau», sagte Gino.
«Was wiederum heißt, dass Ihre Freunde nicht die einzigen Gäste sind, die wir erwarten.»
Magozzi wand sich unbehaglich. «Grace schwört Stein und Bein, dass ihnen niemand gefolgt ist. Aber ich weiß nicht, ich habe ein dummes Gefühl bei der Sache.»
Der Chief musterte ihn eindringlich, und seine Augen sahen im schummrigen Licht aus wie glänzende schwarze Steine. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Kamin zu. «Sie glauben, dass eine Verbindung zu den Terrorplänen besteht, stimmt’s?»
Gino und Magozzi sahen ihn nur schweigend an.
«Eine Fatwa, Araber auf einem Segelboot in der Karibik, großangelegte Anschlagspläne … Ich bin Indianer, Jungs, kein Idiot. Ihr Smith hängt richtig tief in dieser Sache drin. Trifft es das so weit?»
«Im Großen und Ganzen.»
Der Chief griff nach dem Schürhaken und fachte das Feuer etwas mehr an. Im Schein der Flammen wirkte seine dunkle Haut wie altes poliertes Holz. «Warum ist er dann nicht einfach unsichtbar geblieben? Dass er jetzt bei Ihren Freunden von Monkeewrench ist, bringt die doch nur noch mehr in Gefahr.»
Magozzi senkte stirnrunzelnd den Blick – sein Schoß war einer der Orte, wo er gewohnheitsmäßig nach Antworten suchte, ohne allerdings je welche gefunden zu haben. «Anscheinend glaubt er, sie sind so oder so in Gefahr.»
Der Chief nickte nachdenklich. «Klingt, als gäbe es da ein ganz schön dickes Wollknäuel zu entwirren.»
«Hoffentlich nicht.» Langsam zerrten Müdigkeit und Besorgnis ernstlich an Magozzis Nerven, und der Eisregen, der nach wie vor unermüdlich an die Scheiben prasselte, machte es nicht besser.
Eine Zeitlang blieb der Chief schweigend und reglos sitzen, dann schüttelte er den Kopf, und ein ironisches Grinsen spielte um seinen Mund und ließ die Lachfalten aufblitzen wie zwei tief eingegrabene Klammern. «John Smith. Besser könnte man’s sich nicht ausdenken.»
«Wie meinen Sie das?», fragte Gino.
«John Smith auf dem Weg ins Indianerreservat. Dieser Name hat für uns Ureinwohner eine ganz besondere Bedeutung. Haben Sie schon mal von Pocahontas gehört?»
Magozzi und Gino wechselten einen Blick und erinnerten sich an längst vergangene Geschichtsstunden und einen Disneyfilm vor gar nicht allzu langer Zeit. John Smith, einer der Siedler von Jamestown zu Beginn des 17. Jahrhunderts, war von einer Indianerprinzessin vor dem Tod gerettet worden, so erzählte man sich zumindest. Vielleicht würde die Geschichte sich ja jetzt wiederholen.
Zufrieden registrierte der Chief, dass sie die Ironie verstanden, die in Smiths Namen und seiner aktuellen Situation lag. «Ich setze jetzt erst mal Kaffee auf – viel zu früh für Mann oder Maus, um schon auf den Beinen zu sein. Die Sonne macht
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