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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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ja noch nicht mal Anstalten aufzugehen.»
    Gino deutete auf die Tarnkleidung des Chiefs. «Wollten Sie und Claude heute Morgen auf die Jagd?»
    «Kommt drauf an.» Der Chief streckte die baumstammdicken Knie durch und winkte ihnen, ihm zu folgen. «Kommen Sie mal mit. Ich will Ihnen was zeigen.»
    Er führte sie durch die Küche in eine Art Wirtschaftsraum mit der üblichen Ausstattung: Boiler, Waschmaschine und Trockner, Putzmittel- und Klopapiervorräte, Taschenlampen und Kerzen. «Falls Ihnen mal das Klopapier ausgeht, finden Sie hier Nachschub», meinte er mit leisem Lachen und ging dann weiter zu einer schweren Tür am anderen Ende des Raumes, die er aufschloss. «Und falls Ihnen die Schusswaffen ausgehen, finden Sie Ihren Nachschub hier.»
    Mit großen Augen betrachteten Gino und Magozzi die eindrucksvolle Batterie sorgfältig gewarteter Jagdgewehre und Schrotflinten: für jedes Tier, das durch die Wälder streifte, das passende Modell. In den Regalen neben den Gewehrständern stapelten sich die Schachteln mit der entsprechenden Munition.
    «Wow!», sagte Gino. «Das ist ja wirklich ein Vier-Sterne-Jagdhotel.»
    Der Chief nickte voller Stolz. «Wir sind gut ausgestattet. Richtige Jäger bringen natürlich ihre eigene Ausrüstung mit, aber einen Großteil des Umsatzes machen wir mit Firmenausflügen und Freizeitjägern, die ein paar Tage lang Abenteuer spielen wollen, bevor sie wieder in Anzug und Krawatte bei Starbucks hocken. Solche Typen hatten in der Regel noch nie ein Gewehr in der Hand, deshalb lernen sie hier als Erstes den sicheren Umgang mit der Waffe und üben Zielschießen. Erst wenn sie das erfolgreich absolviert haben, dürfen sie für die Dauer ihres Aufenthalts ein Gewehr und ein bisschen Munition ausleihen. Für Sie lasse ich die Tür jetzt mal unverschlossen.»
    Gino kratzte sich die Bartstoppeln, die sich über Nacht auf seinen Wangen gebildet hatten. «Echt nett von Ihnen, Chief, aber ich glaube, wir haben gerade nicht die Zeit zum Zielschießen.»
    «Wer redet denn von Zielschießen, Detective?»
    Während der Chief Kaffee machte, kehrten Gino und Magozzi ins Wohnzimmer zurück und sahen zu, wie der Eisregen sich langsam in Schnee verwandelte.
    «Der Chief macht sich Sorgen», bemerkte Gino.
    Magozzi warf einen Blick auf die Uhr und überlegte, wie weit die Telefonzelle, von der Grace angerufen hatte, wohl entfernt war. «Wir haben ihm gerade erzählt, dass demnächst eine Autoladung Leute bei ihm klingeln wird, die auf der Abschussliste von Terroristen stehen. Da darf er sich ja wohl Sorgen machen. Machst du dir etwa keine?»
    «Doch, schon», räumte Gino ein, dann hob er plötzlich den Kopf und schnüffelte wie ein Suchhund in die Luft. «Riechst du das auch, Leo?»
    Magozzi sog den beißenden Geruch von Marihuana ein, der aus dem Gang zwischen Küche und Wohnzimmer herüberdrang. «Na prima. Das fehlt uns gerade noch: ein bekiffter Gastgeber mit einem Zimmer voller Jagdgewehre.»
    «Das ist kein Gras, Detectives.» Sie zuckten zusammen, als Claude verschlafen ins Zimmer trat. Er trug ähnliche Tarnkleidung wie der Chief. «Der alte Spinner räuchert schon wieder. Das ist nur Weißer Salbei, aber der riecht schlimmer als das billigste Kraut, das ich je geraucht habe, und hängt einem monatelang in den Klamotten.»
    Der Chief kam zurück ins Wohnzimmer, in der Hand eine große Flussmuschelschale, aus der es qualmte. «Jeder nimmt sich eine Hand voll Rauch und wedelt ihn um sich herum.»
    Claude verdrehte die Augen, tat aber, was ihm gesagt wurde.
    «Wozu denn?» Gino hustete. «Was soll diese Räucherei?»
    «Das ist ein Reinigungsritual. Es hält böse Geister ab.»
    «Na, dann her damit.» Gino tat es Claude gleich. «Und das ist wirklich Weißer Salbei?», fragte er, während ihn der Rauch in Schwaden umgab, so dicht, dass ihm die Augen tränten.
    «Ja. Ein Heilkraut. Sehr reinigend.»
    «Und Sie sind sicher, dass es kein Gras ist?»
    Der Chief bedachte Gino mit einem nachsichtigen Lächeln. «So wenig wie der Weihrauch, den Ihre Priester auf dem Weg zum Altar verfeuern. Die meisten Religionen haben sehr viel mehr gemeinsam, als man glaubt. Wir sind alle verschieden und doch alle gleich. Das hat in seiner Ausgeglichenheit etwas sehr Tröstliches, finden Sie nicht? So als wären wir alle nur verschiedene Stämme aus derselben Wurzel. Sie sollten sich jetzt hinlegen und noch ein, zwei Stunden schlafen, wenn Sie können.»

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KAPITEL 43
    A ls der Rastplatz gut

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