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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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fünfzehn Kilometer hinter ihnen lag, schlug leichter Regen an die Windschutzscheibe des Range Rover. Dreißig Kilometer weiter wurde der Regen unvermittelt zu Graupel und schließlich zu Eisregen. John saß am Steuer. Er musste das Tempo erheblich drosseln, weil die Räder auf der eisglatten Straße immer wieder durchdrehten und die Traktionskontrolle sich wiederholt einschaltete. Zwei Mal wäre er fast in den Straßengraben geraten und hatte, als er das Lenkrad wieder nach links drehte, eine Dreihundertsechzig-Grad-Drehung vollführt.
    «Willst du lieber anhalten und abwarten?», fragte Grace vom Rücksitz.
    «Nein. Das geht nicht. Aber es ist wahnsinnig anstrengend zu fahren. Wir werden häufiger wechseln müssen. Du bist dran, Harley.»
    John kletterte nach hinten, und Harley nahm widerspruchslos seinen Platz ein. Eigentlich war er ein mit allen Wassern gewaschener Winterfahrer, doch auch er konnte den Wagen bei diesem elenden Wetter, das mit jeder Minute schlimmer wurde, kaum besser steuern als John. Wenn man über eine Eisbahn schlitterte, halfen einem weder Können noch Vierradantrieb und auch keine schicken automatischen Traktions- und Bremskontrollen ernsthaft weiter.
    Nach vierzig Minuten hatte Harley auf Schritttempo verlangsamt, aber der Wagen schlitterte trotzdem immer wieder quer über die Straße. Auf der Windschutzscheibe sammelte sich das Eis schneller, als die Scheibenheizung es schmelzen lassen konnte. Schließlich schaltete er die Warnblinkanlage ein, schnappte sich den Eisschaber und stieg aus, um die Scheibe wieder frei zu kriegen.
    Grace glitt auf den Fahrersitz und sah zu, wie Harley sich im sanften Licht der Scheinwerfer abmühte; die Eisstückchen, die der Schaber weggekratzt hatte, glitzerten auf seinem schwarzen Bart und in seinem Haar. Als er schließlich hinten wieder einstieg, zitterte er am ganzen Körper und war über und über mit Eis bedeckt.
    «Rutsch rüber, John», brummte er und schüttelte sich die Eisstückchen aus dem Bart. «Jetzt bist du dran mit dem Mitteltunnel.»
    Als alle wieder saßen, lenkte Grace den Rover zurück auf die Fahrbahn, blieb aber mit den beiden rechten Rädern auf dem Kiesrand daneben.
    «Bist du sicher, dass du fahren kannst, Schätzchen?», ließ sich Annie vom Beifahrersitz vernehmen. «Du hast kein Auge zugemacht.»
    Grace seufzte. «Ging eben nicht.» In letzter Zeit hatte sie zwar etliche mentale Hürden genommen, doch anscheinend reichten drei Monate auf einem Segelboot in der Karibik doch nicht aus, um die lähmende Paranoia eines ganzen Lebens zu beseitigen. Und so traute sie niemand anderem zu, zu fahren und gleichzeitig Wache zu halten und all die Warnsignale wahrzunehmen, die zu registrieren und auf die zu reagieren sie sich im Lauf der Jahre antrainiert hatte. Das Boot hatte ihr eine Verschnaufpause gewährt, doch seit John am Telefon zu ihr gesagt hatte, sie müssten sofort verschwinden, war alles wieder da.
    Keine Stunde später schnarchten alle drei Männer auf dem Rücksitz vernehmlich.
    «Harley!», zischte Annie und drehte sich sogar nach hinten, um ihm einen Klaps auf den Bauch zu geben. «Mach den Mund zu, Herrgott noch mal! Du hörst dich ja an wie ein Wildschwein im Todeskampf.»
    Grunzend drehte Harley sich ein wenig, wachte aber nicht richtig auf.
    «Männer», brummte Annie. «Kaum legen sie sich hin, schon schlafen sie, egal was um sie herum vorgeht. Kein Wunder, dass sie auch im Schützengraben schlafen können. Frauen bleiben wach und machen sich Sorgen, und Männer schnarchen.»
    Grace lächelte. «Die Glückspilze!»
    «Die Dummköpfe! Sie schlafen einfach weiter, ob nun das Baby schreit oder der Einbrecher die Terrassentür einwirft. Wenn wir Frauen sie nicht wachrütteln würden, dann würden sie noch das Jüngste Gericht verschlafen.»
    «Irgendwie klingst du verbittert.»
    «Ich habe Schlafentzug, weil ich nämlich wach bleiben und aufpassen musste, dass Harley und John uns nicht vor einen Baum setzen … Warte mal. Ist das nicht das Hotel?»
    Grace warf einen Blick nach rechts. «Ja, das muss es sein.»
    «Na, was für ein Glück, das ist doch mal ein schönes Gebäude mit einer geschmackvollen Gartenanlage und gelungener Architektur und so vielen Lichtern hinter all den schönen, großen Fenstern. Da gibt es Strom, Grace, und wahrscheinlich auch große Badezimmer. Ich würde sagen, wir vergessen die Jagdhütte, wo wir wahrscheinlich sowieso nur tote Tiere über dem offenen Feuer rösten und an den nächsten Baum

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