Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
aufgeräumter
aussah, als in den WGs, die Tannenberg aus der Studienzeit seines Bruders in Erinnerung
hatte.
»Seit wann
vermissen Sie denn Ihre Freundin?«, fragte Tannenberg, obwohl er diese Information
bereits bei seinem Telefonat mit der Zentrale erhalten hatte.
Wie betend
verschränkte der Student die Hände und atmete schwer. »Seit heute Morgen«, seufzte
er.
»Weil sie
in der Nacht nicht nach Hause kam?«
»Nein, deshalb
nicht. Das war ja so geplant. Sie hatte vor, bei der Freundin zu übernachten, mit
der sie joggen war. Die hatte ihr eine Mail geschickt. In der stand, dass sie wegen
irgendeinem Beziehungsstress dringend mit Jessi quatschen wollte.«
»Haben Sie
diese Mail gelesen?«
»Nein, Jessi
hat mir davon erzählt.« Mit einem großen Schluck leerte Lukas ein Wasserglas und
drehte es zwischen den Händen.
»Wann und
wo war denn Ihre Freundin joggen?«, wollte Dr. Schönthaler wissen. Er handelte sich
umgehend einen tadelnden Blick ein, denn er war ja kein Ermittler und durfte deshalb
auch keine Zeugenbefragung durchführen.
»Gestern
Abend«, antwortete Lukas. »Ich glaube, sie wollten sich in der Nähe des Gelterswoogs
treffen.«
»Vielleicht
ist sie ja heute Morgen noch länger bei ihrer Freundin geblieben«, spekulierte Tannenberg.
»Nein, das
ist sehr, sehr unwahrscheinlich«, kommentierte der Informatikstudent. »Wir hatten
um 10 Uhr einen wichtigen Termin bei einem Professor, bei dem wir unsere Examensarbeit
schreiben. Diesen Termin hätte Jessi freiwillig niemals versäumt. Außerdem hatten
wir vereinbart, dass wir vorher hier in unserer WG gemeinsam frühstücken.« Er schniefte
und schob mit belegter Stimme nach: »Und Jessi ist normalerweise ausgesprochen pünktlich
und zuverlässig.«
»Haben Sie
schon mit Jessicas Freundin gesprochen?«, wollte der Leiter des K 1 wissen.
»Nein, leider
weiß ich nicht, mit wem sie verabredet war. Sie hat nur allgemein von einer Freundin gesprochen, die Probleme habe. Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht einmal, ob sie
sich mit nur einer oder vielleicht mit mehreren Freundinnen zum Frauenabend treffen
wollte.«
Ȇbers Handy
ist Jessica nicht zu erreichen?«, konnte sich der Rechtsmediziner nicht verkneifen.
»Nein. Es
geht immer nur die Mailbox ran.« Lukas Schnellinger führte die Hände im spitzen
Winkel zusammen und legte die Zeigefinger für einen kurzen Augenblick an die Lippen.
»Immer nur diese verfluchte Mailbox.«
»Kann Ihre
Freundin denn nicht auch spontan irgendjemand anderen besucht haben, zum Beispiel
ihre Eltern?«
Lukas legte
die Stirn in Falten. »Warum sollte sie nach Lübeck fahren, wenn wir einen wichtigen
Termin mit unserem Professor haben?«
»Ist Jessica
mit ihrem eigenen Auto zum Treffpunkt am Gelterswoog gefahren oder wurde sie abgeholt?«,
mischte sich der Rechtsmediziner wieder ein.
»Sie ist
selbst hingefahren.«
»Sie besitzt
also ein eigenes Auto?«
Der Student
nickte.
Tannenberg
erkundigte sich nach dem Autotyp und dem KFZ-Kennzeichen. Anschließend verzog er
sich in den Flur und beorderte zwei Streifenwagen zum Gelterswoog. Seine uniformierten
Kollegen erhielten den Auftrag, die Umgebung des Badesees bis hin nach Hohenecken
und Queidersbach nach dem PKW der vermissten Studentin abzusuchen.
»Sie haben
vorhin erwähnt, dass Jessica von dieser Freundin eine E-Mail erhalten hat«, sagte
der Leiter des K 1 nach seiner Rückkehr in die Küche. »Kennen Sie das Passwort von
Jessicas Mailbox?«
Wieder bejahte
der Informatikstudent mit einer Kopfbewegung.
»Dann sollten
wir uns diese E-Mail schleunigst anschauen. So erfahren wir, mit wem Ihre Freundin
verabredet war.«
Die drei
Männer gingen in Jessica Hellmanns WG-Zimmer, das genauso sauber und aufgeräumt
war wie die Küche.
»Versprechen
Sie sich aber nicht zu viel davon«, meinte der Student, während der Laptop hochfuhr.
»Wieso?«
»Die Adresse
des Absenders ist keinem konkreten Namen zuzuordnen.« Lukas hob frustriert die Schulterblätter.
»Wenn ich in ihre Communitys reinkäme, könnte ich vielleicht diese E-Mail-Adresse
einer realen Person zuordnen. Aber das geht nicht, weil Jessi ihre Passwörter vor
mir geheim gehalten hat.«
»Warum denn
das?«, wollte Dr. Schönthaler wissen.
Lukas blickte
ihn verständnislos an. »Ich möchte ja auch nicht, dass irgendjemand mitkriegt, was
ich mit meinen Kumpels so alles bequatsche. Eine gewisse Intimsphäre braucht wohl
jeder Mensch, Sie etwa nicht?«
»Doch, doch,
schon«, entgegnete der
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