Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
reinzukommen? Vielleicht
hat ihr potenzieller Entführer dort ja irgendwo Spuren hinterlassen, mit denen es
uns gelingt, ihn zu identifizieren und Jessicas Aufenthaltsort zu ermitteln.«
»Ohne Passwörter?«
Tannenberg
öffnete die Arme, so als wolle er irgendetwas auffangen. »Tja, ich kenne diese Codes
leider nicht. Und ihr Freund angeblich auch nicht. Der kennt nur das Passwort für
ihre Mailbox.«
»Warum sagst
du angeblich? Glaubst du, er hat etwas zu verheimlichen und steckt womöglich selbst
hinter dieser vermeintlichen Entführung?«
»Ich weiß
es nicht, Karl. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir noch rein gar nichts ausschließen.«
Mertel zupfte
an seinem Ohrläppchen herum und räusperte sich. »Ich hätte da vielleicht jemanden
an der Hand, der die Zugangscodes knacken könnte. Aber …«
Da der Spurenexperte
keinerlei Anstalten machte weiterzureden, setzte Tannenberg nach: »Aber was?«
»Na ja,
die Inanspruchnahme dieser personalen Fachkompetenz …«
»Sag mal,
was redest du denn da gerade für einen gestelzten Quatsch?«, zischte der Leiter
der Kaiserslauterer Mordkommission. Spontan entschloss er sich dazu, seinem trägen
Kollegen ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen: »Leg jetzt endlich die Karten
auf den Tisch, Karl!«, forderte er mit Nachdruck. »Vielleicht geht es in der Vermisstensache
Jessica Hellmann tatsächlich um Leben und Tod. Und da zählt möglicherweise jede
Sekunde.«
Mertel zeigte
seine Handflächen. »Okay, okay, Wolf, ich habe schon verstanden.« Er lehnte sich
über die Tischplatte, blickte sich nach allen Seiten um und flüsterte in verschwörerischem
Tonfall: »Ich kenne da einen Hacker …« Er räusperte sich erneut. »Er ist ein genialer
Computerfreak. Dem traue ich zu, dass er diese Passwörter ziemlich schnell knacken
kann. Aber das wäre natürlich nicht ganz legal.«
Tannenberg
klopfte seinem alten Kumpel auf die Schulter. »Wie haben wir in unserer Sturm-und-Drang-Zeit
immer getönt?«
»Legal,
illegal – scheißegal!«, vollendete Mertel grinsend.
»Karl, ich
sehe, wir verstehen uns.«
»Okay, ich
kümmere mich sofort darum. Aber die Sache muss strikt unter uns bleiben, versprochen?
Sonst komme ich in Teufels Küche. Denn eigentlich steht dieser Hacker auf der Fahndungsliste.«
Tannenberg
zog das Kinn zum Hals. »Wieso denn das?«
»Na ja,
er hat sich Zugang zum Zentralcomputer des saarländischen Landeskriminalamtes verschafft
und dort ein paar E-Mails mit Saarländerwitzen auf Rundreise geschickt. Das Besondere
daran: Alle Witze haben einen kriminalistischen Bezug.«
»Echt?«
»Ja.«
»Saugut!
Dieser Typ ist mir spontan sympathisch«, grölte Tannenberg und hielt sich vor Lachen
den Bauch. »Hast du einen parat?«
»Aber sicher
doch, Wolf. Die Saarländerwitze gehören schließlich zum pfälzischen Bildungskanon.
Also, hier kommt die Frage: Wie nennt man zwei Saarländerinnen auf einem Motorrad?«
»Keine Ahnung.«
»Dum-Dum-Geschoss.«
»Der ist
wirklich gut«, feixte Tannenberg. Er packte die Hand seines Kollegen und schüttelte
sie fest. »Ehrenwort, Karl, die Sache bleibt unter uns. Diesen mutigen Filou müssen
wir unbedingt vor einem LKA-Zugriff schützen.«
»Das ist
auch deshalb dringend geboten, weil …« Der Kriminaltechniker machte keinerlei Anstalten
weiterzusprechen.
»Weil?«,
drängte Tannenberg.
»Weil der
junge Mann seit zwei Jahren der Freund meiner jüngsten Tochter ist«, gestand Mertel
leise ein.
»Und somit
potenzieller Schwiegersohn«, ergänzte Wolfram Tannenberg. Er wedelte mit den Händen
so, als hätte er sich gerade verbrannt. »Oh, ha, mein Lieber, da hast du dir aber
eine ziemlich kriminelle Verwandtschaft eingefangen. Und das vor dem Hintergrund,
dass deine jüngste Tochter in Saarbrücken Jura studiert. Das tut sie doch noch,
oder?«
»Na klar,
und zwar sehr erfolgreich«, erwiderte Mertel mit väterlichem Stolz. Hinter vorgehaltener
Hand schob er kleinlaut nach: »Und ihr Freund auch.«
»Was? Der
Hacker studiert Jura?«, prustete Tannenberg los. »Das wird ja immer besser.«
»Es wird
noch besser, Wolf: Sein Vater arbeitet als Leitender Oberstaatsanwalt am Zweibrücker
Landgericht.«
»Ach du
dickes Ei, ach du dickes Ei«, brabbelte Tannenberg vor sich hin und verschwand ins
Treppenhaus.
5
Als Tannenberg die Glastür zu Petra
Flockerzies Reich nach innen öffnete, kam Kriminalhauptmeister Geiger sofort auf
ihn zugestürmt. »Da sind Sie ja endlich«, fuhr er seinen Vorgesetzten an. Er
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