Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
breit. »Apropos knabbern – greif jetzt endlich zu.«
Die dralle
Sekretärin schnaufte noch einmal kräftig durch, dann nahm sie ein Cantuccini, schob
es in den Mund und weichte das Gebäck mit geschlossenen Augen auf. »Köstlich«, schwärmte
sie und sorgte umgehend für Nachschub.
»Auf dem
Weg hierher ist mir eine Idee gekommen«, sagte ihr Nebenmann, stopfte sich gleich
zwei Cantuccini in den Mund und zerkaute sie knackend.
»Und welche?«
»Du hast
dich vor Kurzem mit Sabrina über diese neumodischen sozialen Netzwerke unterhalten«,
erklärte er schmatzend. »Stimmt doch, oder?«
Petra Flockerzie
zog überrascht ihr Doppelkinn zum Hals. »Seit wann belauschen Sie denn die Privatgespräche
Ihrer Mitarbeiter?«, fragte sie mit gespielter Empörung.
»Na ja,
dieses angebliche Privatgespräch war so laut, dass ich es durch die geschlossene
Tür gehört habe. Ich bin mir sicher, dass auch die Leute unten auf dem Pfaffplatz
jedes Wort verstanden haben.«
»Der liebe
Gott hat mir eben eine kräftige Stimme verliehen, damit ich ihm gut hörbar dienen
kann«, entgegnete Petra Flockerzie betont laut.
Tannenberg
schmunzelte. »Wie ich eurem angeregten Privatgespräch entnehmen konnte, seid ihr
beide Mitglieder in diesen Communitys, wie man heutzutage in schönstem Neu-Pfälzisch
sagt, stimmt’s?«
»Ja, Sabrina
und ich gehören den gleichen sozialen Netzwerken an.«
»Dann sei
doch bitte so nett und kläre einen alten Internetmuffel wie mich darüber auf, wie
diese sogenannten sozialen Netzwerke funktionieren. Damit hatte ich nämlich bislang
noch überhaupt nichts am Hut. Ich dachte immer, dass ich mich auch ohne dieses Netzwerk-Gedöns
ganz gut im Leben zurechtfinde. Aber irgendwie werde ich den Verdacht nicht los,
dass ich bei unserem neuen Fall ohne ein gewisses Basiswissen nicht weiterkomme.«
Wie betend legte er die Handflächen aneinander und schob mit herzerweichendem Dackelblick
nach: »Deshalb bin ich auf deine Hilfe angewiesen.«
»Also gut,
Chef, dann will ich mal nicht so sein«, sagte Petra Flockerzie, während ihr Computer
die Startseite einer Community lud. Mit der Fingerspitze tippte sie auf den Flachbildschirm
und dozierte: »Das hier ist die FSN-Community. FSN steht als Abkürzung für Freunde-Suchen-Netzwerk.
FSN ist das beliebteste deutsche soziale Netzwerk mit fast zwei Millionen Mitgliedern.«
»Okay«,
nickte Tannenberg. »Und wie wird man Mitglied in diesem erlauchten Kreis?«
»Das ist
total simpel«, erklärte die Sekretärin, hämmerte auf der Tastatur herum und zeigte
anschließend auf den Flachbildschirm. »Sehen Sie, Chef, jetzt bin ich schon drin«,
sagte sie und klickte weiter. »Wenn Sie noch keinen eigenen Zugang haben, müssen
Sie einfach nur Ihre persönlichen Daten in einen Fragebogen eingeben, eine Bestätigungsmail
abwarten und einen Link anklicken. Dann werden Sie automatisch freigeschaltet.«
Sie klatschte in die Hände. »Und schwuppdiwupp sind auch Sie Mitglied bei FSN.«
Tannenberg
zog einen Mundwinkel hoch. »Und was hab ich davon?«
»Sie können
dann zum Beispiel mit mir chatten.« Petra Flockerzie lachte so herzhaft, dass ihr
gesamter Körper wabbelte. »In dieser Beziehung leben Sie anscheinend wirklich hinter
dem Mond.«
»Ja, das
kann durchaus sein«, gestand ihr Vorgesetzter ein.
»Ich vermute,
dass selbst Ihr alter Herr bei FSN angemeldet ist.«
Wolfram
Tannenberg wedelte mit dem Finger. »Nein, nein, mein liebes Flöckchen, da täuschst
du dich aber gewaltig. Obwohl mein Vater den halben Tag im Internet surft, verweigert
er sich strikt diesem bekloppten, überflüssigen Ami-Quatsch – Originalton Sherlock
Holmes aus der Beethovenstraße. Vorhin beim Mittagessen habe ich ihn darauf angesprochen.
Er ist der Meinung, sein soziales Netzwerk sei der Tchibo-Stammtisch und dieses
Netzwerk reiche ihm voll und ganz.«
»Und seine
tolle Großfamilie? Ist die für ihn denn kein soziales Netzwerk?«
»Diese Frage
hat ihm meine Mutter auch sofort gestellt«, erwiderte Tannenberg und grinste breit.
»Der alte Brummelkopf hat nur kurz ›Jo‹ geknurrt.«
Petra Flockerzie
schmunzelte amüsiert.
»Wow, du
hast ja 349 Freunde«, stieß Tannenberg beeindruckt aus, als er die imposante Zahl
über den vielen kleinen Porträtfotos auf der persönlichen Seite seiner Sekretärin
entdeckte.
»Ganz schön
viele, gell?«
»Das kann
man wohl sagen.« Er schniefte und lehnte seinen Kopf an Petra Flockerzies Schulter
an. »Ich hab nur einen einzigen Freund. Das ist so
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