Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
10.0000-Volt-Stromstößen
narkotisierte.
Die junge
Frau sackte wie leblos in sich zusammen.
»Ich hab
dich übrigens nicht außer Gefecht gesetzt, um dir diese tierischen Schmerzen zu
ersparen, sondern weil du mir sonst mein Bild versaust«, erklärte er der bewusstlosen
Studentin.
»Aber zuerst
klebe ich dir noch ein neues Spinnennetz aufs Gesicht, damit du auch ja an mich
und Theo denkst, wenn du nachher wieder wach wirst.« Er machte eine unbestimmte
Handbewegung. »Obgleich dich die blutende Stelle an deinem Bein eh an uns erinnern
wird.«
Wieder dieses
gemeine, stakkatoartige Kichern.
»Wir müssen
dich nämlich jetzt leider verlassen und wieder auf die Jagd gehen.«
In seinem
Rucksack befand sich eine weitere durchsichtige Plastikdose, in der ein freischwebendes
Spinnennetz baumelte. Es war zwischen Holzleisten aufgespannt. Vorsichtig nahm er
es heraus und legte es seinem Opfer über das Gesicht.
Zufrieden
rieb er sich die Hände. »Meine Performance sieht ja schon ganz gut aus«, lobte er
sich selbst. »Aber jetzt kommt noch das Sahnehäubchen obendrauf.«
Er setzte
sich auf eine Sprosse der Haushaltsleiter, nahm die Rasierklinge und ritzte ein
Spinnennetz in Jessicas Oberschenkel.
7
Im K 1 traf gerade die Nachricht
ein, dass der Einsatz einer Hundertschaft der Enkenbacher Polizeischule leider nicht
zum Erfolg geführt hatte. Beim systematischen Durchkämmen der näheren Umgebung des
Tatorts konnten weder Kleidungsstücke noch Schuhe der vermissten Studentin sichergestellt
werden. Zudem blieb die Suche nach den Tatwerkzeugen ohne greifbares Ergebnis. Somit
war davon auszugehen, dass der Täter sowohl den Elektroschocker als auch das Messer
vom Tatort entfernt hatte.
»Die armen
Kollegen können einem wirklich leidtun«, bemerkte Kriminalhauptmeister Geiger in
einfühlsamem Ton. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Durchstöbern von Wäldern
und Wiesen eine richtige Syphilisarbeit ist.«
Tannenberg
meinte zunächst, sich verhört zu haben. »Eine was?«, fragte er deshalb nach.
»Eine richtige
Syphilisarbeit«, wiederholte Geiger.
»Syphilisarbeit?
Oh, Mann, ist das gut!«, feixte der Leiter des K 1. Während ihm Tränen in die Augen
schossen, japste er wie ein Ertrinkender nach Luft.
Armin Geiger
dagegen lief rot an und fletschte die Zähne.
»Du bist
vielleicht eine Marke«, prustete sein Chef. »Mensch, Geiger, du meist die Sisyphusarbeit.
Sisyphus ist eine antike Sagengestalt, wogegen Syphilis eine Geschlechtskrankheit
ist.«
»Wortherkunft
des Begriffes ›Syphilis‹«, mischte sich Petra Flockerzie ein. »Ich habe mich auf
die Schnelle im Internet kundig gemacht. Der Name ›Syphilis‹ geht auf den italienischen
Arzt Girolamo Fracastoro zurück, der bereits im Jahre 1530 ein Gedicht über diese
Krankheit geschrieben hat:
Syphilus
packt sie als ersten.
Schlimm
wird ihm der Leib zerfressen
Von gar
garstigen Geschwüren,
Schmerzend
reißt es in den Gliedern,
Seine Nächte
flieht der Schlaf.
Und nach
ihm benennt die Menschheit
Heute noch
die gleiche Seuche,
Es empfängt
von ihm die Krankheit
Nun den
Namen: Syphilis.
Weiter steht hier zu lesen: ›Girolamo
Fracastoro bediente sich bei seiner Namensgebung der antiken Mythologie, denn dort
findet sich ein gewisser Sipylus, der zweite Sohn der Niobe, welche die Tochter
des legendären Tantalos war.‹«
»Das hab
selbst ich nicht gewusst«, gestand Tannenberg grinsend ein. »Also haben Syphilis
und Sisyphus doch eine Gemeinsamkeit, nämlich ihren Ursprung in der griechischen
Mythologie.«
Völlig überraschend
schlug er nun gegenüber seinem Mitarbeiter einen versöhnlichen Ton an. »Nichts für
ungut, Kollege Geiger. Man kann ja nicht alles wissen. Aber merk dir für die Zukunft:
Wenn man Fremdwörter benutzt, sollte man wissen, was sie bedeuten, sonst kann’s
peinlich werden.«
Tannenberg
wandte sich seiner Sekretärin zu: »Hast du auch etwas über Sisyphus gefunden, das
du unserem wissbegierigen Kollegen präsentieren könntest?«
»Aber klar
doch, Chef«, entgegnete Petra Flockerzie. Während sie ihr Doppelkinn kraulte, fasste
sie die Informationen der Fundstelle zusammen: »Homer berichtet in seiner berühmten
Odyssee von Sisyphus, dem König von Korinth. Sisyphus war offensichtlich ein überaus
widerwärtiger, verschlagener und gewinnsüchtiger Mensch. Deshalb wurde er mit einer
lebenslangen Hadesstrafe belegt: Immer und immer wieder musste er einen schweren
Felsbrocken den Hang hinaufwälzen. Sobald
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