Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
hast du aber sehr gut aufgepasst«, lobte der Spider scheinheilig. »Es geht
eben nichts über ein anspruchsvolles Biologiestudium an der Kaiserslauterer Universität,
gell?«
»Ja, das
stimmt«, versuchte Jessica Hellmann ihren Entführer weiter bei Laune zu halten.
»Hast du
in diesem Zusammenhang schon einmal davon gehört, dass einige Vogelspinnenarten
einen Futtertanz aufführen?«
»Nein, das
ist mir neu«, bemerkte die entführte Frau.
»Eure Professoren
wissen eben bedeutend weniger, als ihr meint«, spottete der Spinnenexperte. »Also,
dann pass mal gut auf, was ich dir jetzt erzähle. Bei ihrem Futtertanz drehen sich
die Vogelspinnen im Kreis herum und weben dabei ein festes Netz auf dem Boden, in
das sie das Beutetier einrollen. Nach dem Verzehr ihres Opfers putzt sich die Spinne
übrigens ausgiebig. Spinnen sind nämlich sehr, sehr auf Sauberkeit bedachte Tiere.
Hast du auch nicht gewusst, oder?«
»Nein.«
In diesem
Augenblick betrat der Spider den lichtdurchfluteten Bunker.
Als Jessica
Hellmann die hünenhafte, mit Parka und Jeans bekleidete Gestalt erblickte, schäumte
mit einem Mal die Wut in ihr auf. Das war also ihr Peiniger, dieser Mistkerl, der
sie betäubt, gefesselt, entführt, eingesperrt und wie eine Jagdtrophäe in einem
Verlies an die Wand gehängt hatte.
Aber wieso
trägt der Typ keine Maske? So kann ich ihn doch identifizieren. – Oh mein Gott! Die Erkenntnis traf sie wie ein Keulenhieb.
»Warum haben
Sie ausgerechnet mich entführt?«, brach sich ihre Verzweiflung Bahn. »Was wollen
Sie von mir? Ich kenne Sie doch überhaupt nicht.«
»Keine Angst,
meine süße Jessica, du wirst mich noch kennenlernen – und zwar im doppelten Wortsinne.«
Wieder dieses
helle, hüstelnde Kichern, das so gar nicht zu diesem großen, kräftigen Mann passen
wollte. »Du wirst mich sogar bedeutend schneller und intensiver kennenlernen, als
dir lieb sein dürfte.«
Jessicas
Zorn verflüchtigte sich genauso plötzlich, wie er aus dem Nichts aufgetaucht war.
Sie spürte nur noch panische Angst, die ihren Körpers erschaudern ließ.
Ihr Entführer
dagegen badete in ihrer aufkeimenden Panik. »Weißt du eigentlich, dass du etwas
ganz, ganz Besonderes für mich bist?«, fragte er mit zitternder Stimme. »Du bist
schließlich mein erstes Opfer. Doch keine Angst, du bekommst schon bald Gesellschaft.
Aber weil du das erste Opfer des Spinnenmännchens bist, wirst du natürlich ein wenig
länger leiden müssen als deine Schwestern. Ich kann dich jedoch trösten: Das Finale
grandioso wird euch alle miteinander vereinen. Die Schwestern des Leidens gemeinsam
erlöst vom gnädigen Tod. Ich verspreche dir: Du wirst den Tod herbeisehnen wie ein
Ertrinkender den Rettungsring.«
Der Spider
stellte die Aluminiumleiter neben die aschfahle, bibbernde Studentin. Dann fasste
er in eine Außentasche seines Parkas, kramte die Rasierklingen hervor und zog eine
aus der Aufbewahrungsbox.
»Schau mal,
was ich dir Wundervolles mitgebracht habe«, sagte er und präsentierte ihr die funkelnde
Klinge wie ein wertvolles Schmuckstück. Dabei nagelte er Jessica mit seinem stechenden
Blick geradezu an die Wand.
»Was wollen
Sie damit machen?«, stieß Jessica schrill aus.
Ihr Entführer
machte eine unbestimmte Geste, blies die Backen auf und ließ den aufgestauten Atem
geräuschvoll entweichen. »Och, weißt du, Jessica, mit diesen kleinen, scharfen Dingern
kann man alles Mögliche anstellen«, erwiderte er grinsend, während er langsam die
Leitersprossen emporstieg. Als er auf gleicher Höhe wie sein Opfer war, packte er
Jessicas Haarschopf. »Halt still, du kleine Schlampe«, knurrte er durch die geschlossenen
Zahnreihen, »sonst tut’s weh.«
Jessica
gehorchte.
Der Spider
schnitt eine dicke Haarsträhne ab und betrachtete sie zufrieden. »Na, das hat doch
nun wirklich nicht wehgetan, oder?«, säuselte er in einem Ton, als hätte er gerade
Kreide gefressen.
»Nein, das
war nicht schlimm«, keuchte Jessica. Ihre Zähne klapperten so laut, als würde jemand
an einer Nähmaschine arbeiten. »Wozu brauchen Sie denn meine Haare?«
»Das bleibt
erst mal mein Geheimnis«, erwiderte der Spider. »Vielleicht erzähle ich es dir ja
später.« Er nahm seinen Rucksack ab und hängte ihn mit einem Karabinerhaken an eine
der mittleren Leitersprossen.
»So, meine
Süße, jetzt kriegst du endlich etwas zu trinken, sonst verdurstest du mir noch.
Und das wäre doch jammerschade, schließlich haben wir zwei noch eine Menge
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