Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
kannst dir jetzt einen neuen
Arbeitsplatz suchen. Und das tolle Luxusleben, das dir Steffen geboten hat, kannst
du dir auch gleich abschminken Was bist du nur für ein stures, naives Kind.«
»Von wegen
stur und naiv, du blöde Kuh«, schimpfte Conny und pfefferte ein Frotteehandtuch
in ihre Sporttasche. »Ich war nur konsequent. Und darauf bin ich sogar sehr stolz!«
Dem Handtuch
warf sie gleich noch ein Paar Socken hinterher. »Dieser Mistkerl hatte ja nicht
nur diese einzige Affäre«, legte sie wütend nach.
»An den
Fingern hat er mir alle Frauen aufgezählt, mit denen er mich betrogen hat. Dieser
gemeine Mistkerl! Seine beiden Hände haben dafür gerade so ausgereicht. Und mit
solch einem widerlichen Typen soll ich weiter zusammenleben, mir vielleicht auch
noch Kinder von ihm machen lassen?«
Sie fletschte
die Zähne und trat an die Sporttasche. »Nee, dann lebe ich lieber alleine in dieser
mickrigen Zweizimmerwohnung. Einen neuen Job hab ich inzwischen übrigens schon«,
führte sie den imaginären Dialog mit ihrer Mutter fort.
»Und einen
liebevollen, treuen und ehrlichen Mann finde ich garantiert auch irgendwann. Mit
dem werde ich dann eine glückliche Familie gründen«, fauchte sie und warf trotzig
ihre Mähne ins Genick. »Und auf euch pfeife ich in Zukunft!«
Sie schnappte
sich die Sportasche, ihren Autoschlüssel und eine Trinkflasche. Dann trippelte sie
die fünf Etagentreppen hinunter zu ihrem Auto, einem weißen Renault Twingo, den
sie in der Posener Straße direkt vor einem gegenüberliegenden Hochhaus abgestellt
hatte.
Mariekes
E-Mail hatte sie regelrecht beflügelt und ihr wieder Lebenswillen eingeflößt. Zunächst
war sie sehr überrascht gewesen, dass sich ausgerechnet Marieke als Erste bei ihr
gemeldet hatte, schließlich waren sie sich vor ein paar Monaten zum letzten Mal
begegnet und hatten seitdem nicht einmal mehr über FSN oder eines der anderen sozialen
Netzwerke Kontakt gehabt.
Aber das
ist ja gerade das Tolle an FSN: Wenn man Hilfe braucht, ist immer jemand für einen
da, freute sich Conny Faulhaber, während sie das Autoradio lauter drehte.
Super, dass
sich ausgerechnet Marieke bereiterklärt hat, sich um mich zu kümmern. Sie ist so
ein lieber Mensch und hat so eine tolle Familie: einen Traummann und eine goldige
kleine Tochter, schwärmte sie.
Conny Faulhaber
schob die Brauen zusammen und grübelte angestrengt nach.
Wie hieß
die Kleine noch mal?, fragte sie sich.
Plötzlich
hatte sie eine Eingebung und schnippte mit den Fingern.
Emma heißt
sie. Ein richtig schöner Name. Den hat sie mir selbst gesagt, als ich die beiden
in der Fußgängerzone getroffen habe. Bei unserem Zusammentreffen hat mir Marieke
erzählt, dass sie wieder schwanger sei und sich unheimlich auf ihr zweites Kind
freue.
Conny krauste
die Stirn.
Und da will
sie mit mir Joggen gehen? Na ja, sie wird schon wissen, was sie sich und ihrem Bauch
zumuten kann. Außerdem müssen wir es mit der Rennerei auch nicht übertreiben. Wir
können schließlich auch nur spazieren gehen. Die Hauptsache, ich kann mir mal richtig
meine Sorgen von der Seele reden.
Als sie
am Rauschenweg auf die Grünphase wartete, hupte plötzlich ein Autofahrer neben ihr.
Unwillkürlich drehte sie den Kopf zur Seite – und blickte mitten hinein in das strahlende
Gesicht eines jungen Mannes, der lauthals den Text von ›You are so beautiful‹ mitgrölte.
Conny hatte denselben Radiosender eingestellt und unterstützte nun ebenfalls Joe
Cocker bei einem seiner schönsten Liebeslieder. Zum Abschied schenkte sie dem unbekannten
Autofahrer ihr süßestes Lächeln.
Vielleicht
kam diese Trennung genau zum richtigen Zeitpunkt, sagte sie sich. Ich bin jung und
habe das ganze Leben noch vor mir. Soll dieser alte geile Sack doch in seiner Scheißvilla
an seiner Scheißkohle ersticken!
Je länger
sie Musik hörte, umso euphorischer wurde sie. Die Wehmut über ihre enttäuschte Liebe
und der Schmerz, jahrelang betrogen worden zu sein, verwandelte sich in positive
Energie. Der kleine Flirt mit diesem sympathischen Zeitgenossen eben an der Ampel
wirkte wie ein Aufputschmittel. Sie öffnete das Fenster, streckte die Hand hinaus
und hielt sie dem Fahrtwind entgegen.
»Juhu, wie
ist das Leben doch so wunderbar!«, schrie sie hinüber zu einem älteren Ehepaar,
das ihr auf der anderen Straßenseite entgegenkam. Die beiden winkten freundlich
zurück.
Als sie
unter der ausladenden hölzernen Fußgängerbrücke hindurchbrauste, die das
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