Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
die Steinkugel oben angekommen war, rollte
sie wieder hinunter, und für Sisyphus begann die ganze Schinderei von vorne.«
»Danke,
Flocke, für diesen kleinen humanistischen Bildungsexkurs«, sagte ihr Vorgesetzter.
»Daran sieht man mal, dass das Internet durchaus auch Vorzüge hat und nicht nur
für kriminelle Zwecke missbraucht werden kann. – Womit wir nun endlich wieder bei
unserem aktuellen Fall angelangt wären.«
»Tja, und
da treten wir nach wie vor leider auf der Stelle«, bemerkte Karl Mertel resigniert.
Der Leiter der kriminaltechnischen Abteilung zog mehrere Fotografien aus seiner
Tasche und reichte sie Tannenberg.
»Ist das
Jessica Hellmanns Auto?«
Mertel nickte.
»Der PKW der vermissten Person stand glücklicherweise etwas abseits auf dem Parkplatzgelände.
Dort scheint seit Längerem kein anderes Fahrzeug mehr geparkt zu haben. Die einzigen
identifizierbaren Fußspuren führen vom Auto der Studentin zu einem Waldweg, auf
dem sie sehr wahrscheinlich zum Entführungs- beziehungsweise Leichenfundort gelangt
ist.«
»Also wurde
sie höchstwahrscheinlich nicht auf dem Parkplatz des Strandbades, sondern auf dem
Waldparkplatz an der Straße zwischen dem Gelterswoog und Queidersbach entführt«,
sagte Tannenberg eher zu sich selbst.
»Genau,
Wolf«, bestätigte der Spurenexperte. »Am Leichenfundort wiederum konnten wir ausschließlich
die Reifenprofile eines Fahrzeugs sicherstellen, bei dem es sich definitiv nicht
um das Auto der Vermissten handelt.«
»Na, das
ist doch auch schon mal was«, sagte Tannenberg. »Zumindest ist es bedeutend mehr
als gar nichts.«
Mertel wusste
offenbar mit diesem Einwurf nichts anzufangen, denn nach einem kurzen Stirnrunzeln
fuhr er mit seinem Fachvortrag fort: »Deshalb können wir meines Erachtens mit einiger
Gewissheit davon ausgehen, dass diese Reifenspuren vom Täterfahrzeug stammen. Ebenso
wie die in unmittelbarer Nähe der Reifenspuren gefundenen Sohlenabdrücke der Schuhgröße
43 wohl kaum von einer Frau …«
»Ein oder
mehrere Täter?«, fiel ihm der Kommissariatsleiter ins Wort.
»Die Fußspuren
neben den Reifenprofilen gehören eindeutig zu einem einzigen Paar Männerschuhe.
Diese 43er-Fußabdrücke finden sich auch dort, wo der ermordete Jogger lag. Der Tote
hatte übrigens nur Schuhgröße 40 und die vermisste Studentin Größe 36. Ihre Schuhabdrücke
wiederum finden sich nicht in der Nähe des vermeintlichen Entführer-Fahrzeugs.«
»Wieso denn
das?«, stieß Geiger verdutzt aus. »Ist sie vielleicht doch nicht dort entführt worden?«
Mertel zuckte
mit den Schultern. »Bei dieser Spurenlage können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt
noch nichts ausschließen, denn Schleifspuren, die auf eine gewaltsame Entführung
eindeutig hinweisen würden, haben wir keine gefunden. Die Frau scheint auch nicht
zu dem anderen Auto gelaufen zu sein. Zumindest haben wir keine entsprechenden Fußabdrücke
entdeckt.«
»Vielleicht
hat der Täter die Frau ja getragen«, meinte der Chef-Ermittler.
Mertel legte
den Kopf schief und hob skeptisch die Augenbrauen.
»Müssten
dann aber die zum Auto des Entführers hinführenden Fußabdrücke nicht tiefer sein
als die anderen?«, gab Geiger zu bedenken. »Wegen des erhöhten Gesamtgewichtes«,
fügte er schnell hinzu.
»Ein wichtiger
Aspekt«, lobte Mertel. »Aber bei dem festen Untergrund leider nicht zu klären.«
»Also bleibt
uns wohl oder übel nichts anderes übrig, als unsere Hoffnungen auf die Presseveröffentlichungen
morgen früh zu richten«, sagte Wolfram Tannenberg. Er schob die Unterlippe vor und
ließ seinen Kopf hin und her baumeln. »Eine komische Sache ist das.«
»Das kann
man wohl sagen«, bestätigte Mertel.
Tannenberg
klatschte in die Hände. »Okay, Leute, somit sind wir mal wieder auf sachdienliche
Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Und wenn wir die nicht erhalten, weiß ich
ehrlich gesagt auch nicht weiter.«
Der Kriminaltechniker
kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Tja, dann bleibt uns erfahrungsgemäß
nichts anderes übrig, als auf das Auftauchen des Leichnams der jungen Frau zu warten.«
»Das ist
leider die ernüchternde Erkenntnis aus ähnlich gelagerten Fällen«, pflichtete ihm
der Kommissariatsleiter bei.
»Chef, eben
ist eine Mail reingekommen«, rief Petra Flockerzie. »Von Ihrer Nichte Marieke.«
Bei Tannenberg
schrillten sofort die Alarmglocken. Er hechtete zum PC seiner Sekretärin, stellte
sich hinter sie.
Petra Flockerzie
öffnete eine angehängte
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