Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
Beine sind auch ein bisschen kräftiger,
oder?«
Krampfhaftes
Nicken.
»Es existiert
aber noch ein weitaus bedeutenderer Unterschied zu meiner lieben Clothilde. Ein
Unterschied, der für euch ebenso interessant wie schockierend sein dürfte. Man könnte
sogar behaupten, dass dieser Unterschied von geradezu existenzieller Bedeutung für
euch ist.«
Der Entführer
räusperte sich und beobachtete einige Sekunden versonnen die an der Plastikwand
herumtastende Spinne. »Schaut mal, wie mein kleiner Liebling zappelt. Er möchte
raus aus seinem Gefängnis. Aber da muss er sich leider noch ein wenig gedulden.«
Mit der
linken Hand durchfuhr der Mann seine verschwitzten Haare. »Wo waren wir eben stehengeblieben?«,
fragte er. Doch er bekam keine Antwort. »Ach ja, ich erinnere mich: beim Unterschied
der beiden Spinnenarten.«
Er schnipste
mit den Fingern. »Also, ich will euch nicht länger auf die Folter spannen. In diesen
engen Plastikboxen befinden sich insgesamt fünf Exemplare der Spinnengattung Atrax
robustus, auch Sydney-Trichternetzspinne genannt. Diesen merkwürdigen Namen haben
die Tiere deshalb erhalten, weil sie hauptsächlich in und um Sydney leben und dort
bei der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreiten.«
Der Spider
schloss die Augen und kratzte sich im Genick. »Könnt ihr euch vorstellen, warum?«,
fragte er schmunzelnd. Doch er wartete eine mögliche Reaktion seiner Opfer nicht
ab, sondern beantwortete selbst die gestellte Frage: »Das Besondere an der Atrax
robustus ist die Tatsache, dass sie einen Rekord hält. Sie kann sich nämlich damit
brüsten, die giftigste Spinne der Welt zu sein.«
Die Frauen
wollten schreien, aber ihre Kehlen waren wie zugeschnürt.
»Die Atrax
robustus lebt seit über 80 Millionen Jahren auf der Erde. Das muss man sich einmal
vorstellen. Da man, wie schon erwähnt, mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie
die giftigste Spinne der Welt ist, verwundert es euch natürlich nicht, dass ihr
Biss nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch tödlich ist.«
Geräuschvoll
zog er die Nase hoch und schluckte den Schleim hinunter. »Wenn ihre kräftigen Beißklauen
in das Fleisch eines Menschen eindringen, verursachen sie eine größere Wunde, die
einem Schlangenbiss ähnelt«, präsentierte er seinen Opfern weiter genüsslich sein
Fachwissen.
»Interessant
finde ich auch, dass nur ein einziger Bestandteil ihres Giftes so extrem gefährlich
ist. Es handelt sich dabei um das Nervengift Delta-Atraxotoxin. Dieses Gift lähmt
die menschliche Muskulatur, wobei es zunächst eine Art Schüttelfrost auslöst.«
Mit einem
dreckigen Grinsen zeigte er seine gelben Zähne. »Dann lähmt es die Atemmuskulatur,
sodass die Opfer langsam und jämmerlich ersticken. Bis es endlich so weit ist, können
mehrere Stunden vergehen. Es sei denn, eine ausreichende Giftdosis erreicht vorher
den Herzmuskel und bringt diesen zum Stillstand. Das wäre dann die bedeutend humanere
Variante.«
Während
der Spider im Bunker eine kleine Runde drehte, summte er ›So ein Tag, so wunderschön
wie heute‹ vor sich hin. Anschließend nahm er wieder seine Rednerpose ein.
»Ach, ich
hab noch eine Besonderheit vergessen«, sagte er. »Bei der Atrax robustus ist das
Gift des Spinnenmännchens etwa fünfmal stärker als das der weiblichen Tiere. Ihr
könnt euch freuen: Es werden nur Männer über euch herfallen.«
Der Spider
legte den Kopf ins Genick und blies seinen Atem zur Decke empor. Anschließend fixierte
er die Frauen mit einem hämischen Blick. »Übrigens könnt ihr aufatmen, denn heute
bleibt ihr von meinen Lieblingen verschont.«
Hoffnung
keimte bei seinen gefesselten Opfern auf.
Der Entführer
wedelte mit dem Finger. »Aber nicht aus humanitären Gründen. Dass ihr mir da ja
nicht auf falsche Gedanken kommt.« Er grinste unverschämt breit. »Nein, aus einem
anderen Grund.«
Er klatschte
in die Hände. »So, meine Damen, jetzt habt ihr genug über meine Lieblinge erfahren.
Ich muss euch nun leider verlassen, denn der Spider wird sich nun auf die Jagd nach
der Königin begeben. Und wenn ich sie eingefangen und im Zentrum meines Spinnennetzes
aufgehängt habe, dürfen endlich meine achtbeinigen Lieblinge ihr tödliches Werk
verrichten.«
Das affektierte
Kichern hallte wie helles Sturmglockengeläut durch den ehemaligen Militärbunker.
14
Kurz und knapp informierte Tannenberg
seine Kollegen über Mertels Anruf. Danach stürmten die Mitarbeiter des K 1 die Treppe
hinunter in den Innenhof, wo
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