Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
Duncan. »Es ist sehr gut möglich, dass ich selber krank werde, obwohl ich jetzt schon älter bin, als sie damals war, als sie starb. Es besteht eine Chance von fünfzig Prozent, dass ich das Gen an meine Kinder weitervererbe.«

    Ich drehte mich um. Die Haut um Duncans Augen war rot und fleckig. Seine Augen glänzten. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen. Wie wenig wir doch wirklich über die Menschen um uns herum wissen. Er riskierte es, weiter ins Zimmer zu treten.
    Â»Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen. Es tut mir wirklich leid, dass ich es nicht getan habe.«
    Â»Warum? Warum hast du es mir nicht gesagt? Wann hast du es erfahren?«
    Â»Ich weiß es schon seit meiner Kindheit. Ich habe keine Entschuldigung. Außer dass du keinerlei Interesse daran gezeigt hast, eine Familie zu gründen, als ich dich kennengelernt habe. Wenn du nicht gearbeitet hast, bist du geritten, hast jedes Wochenende bei irgendwelchen Geländeritten Kopf und Kragen riskiert. Du wolltest mit fünfunddreißig deinen Facharzt haben und die Badminton Horse Trials gewinnen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Kinder in so ein Leben reingepasst hätten.«
    Was er sagte, stimmte, doch er beschrieb den Menschen, der ich vor acht Jahren gewesen war.
    Â»Ich habe mich geändert. Mein Leben hat sich verändert.«
    Â»Das weiß ich. Aber wann hätte ich es dir sagen sollen? Als wir uns verlobt haben?«
    Â»Ja«, fiel ich ihm ins Wort. »Das wäre ein guter Zeitpunkt gewesen.«
    Â»Ich hatte furchtbare Angst, dass du es dir anders überlegst. Und du hast nie gesagt ›Ach, übrigens, Duncan, in fünf bis sechs Jahren möchte ich Kinder kriegen‹.«
    Â»Wir haben darüber geredet. Ad nauseam. Du hast gesagt, du willst auch Kinder.«
    Â»Will ich ja auch. Es können nur nicht meine sein.«
    Â»Ich hätte es wissen müssen. Ich habe die Pille abgesetzt. Wir haben all die Tests gemacht. Wir haben uns dumm und dämlich gevögelt. Und die ganze Zeit –«
    Â»Ich habe gewusst, dass wir ein Kind adoptieren können, wenn wir hier raufziehen. Ein neugeborenes. Vielleicht mehr als eins.«

    Â»Diese Tests. Deine Spermauntersuchungen. Die sind alle normal ausgefallen. Wie hast du das gemacht.«
    Â»Großer Gott, ist das wirklich wichtig?«
    Â»Ja, es ist wichtig. Also wie?«
    Â»Das war nur eine Frage des Timings. Die Wirkung von Desogestrel lässt ziemlich schnell nach, wenn man aufhört, das Zeug einzunehmen. Wenn ich wusste, dass eine Untersuchung anstand, bin ich dir einfach aus dem Weg gegangen, wenn du deinen Eisprung hattest.«
    Er kam näher, setzte sich neben mich aufs Bett.
    Â»Frauen können Adoptivkinder lieben. Die mütterliche Bindung ist nicht von der Blutsverwandtschaft abhängig. Die väterliche auch nicht.«
    Â»Ach, und du und deine Eltern, ihr steht euch ja so dermaßen nah.«
    Er schüttelte den Kopf. »Kein gutes Beispiel. Ich kenne eine Menge Adoptivkinder. Es sind geliebte, entzückende Kinder. Sie machen ihre Eltern unheimlich glücklich.«
    Â»Du kapierst es immer noch nicht, oder? Es ging nicht bloß um irgendein Baby, es ging um dein Baby. Ein kleiner, langbeiniger Junge mit dunkelblauen Augen und mit Haaren, die immer vom Kopf abstehen, egal, wie ich sie kämme. Ich habe mit diesem Baby geredet, ihm Geschichten über seine Eltern erzählt, über seine Cousins und Cousinen, darüber, was wir alles gemeinsam unternehmen würden, wenn es erst geboren ist. Er hatte sogar einen Namen.« Es gab noch sehr viel mehr, was ich aussprechen musste, doch es war einfach nicht möglich.
    Â»Wie hieß er?«
    Â»Das spielt keine Rolle.«
    Â»Tut es doch. Wie war sein Name?«
    Â»Duncaroony«, brachte ich heraus.
    Einen Moment lang dachte ich, Duncan würde lachen. Dann begriff ich, dass er es nicht tat. Wir saßen Seite an Seite, während die Nacht dunkler wurde.

34
    Am nächsten Tag ging ich zur Arbeit. Ehe er am Abend zuvor gefahren war, hatte Kenn mich gebeten, zum Dienst zu kommen, wenn ich mich der Aufgabe gewachsen fühlte; meine Suspendierung war mit der Erkenntnis hinfällig geworden, dass die Klinik aus dem Schneider war. Die Schmach dieser ganzen Angelegenheit schmerzte mich noch immer, doch wenn man es genau betrachtete, hatte ich an diesem Vormittag nichts Besseres zu tun.
    Irgendwann im Laufe der Nacht hatten Duncan und ich einen

Weitere Kostenlose Bücher