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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ihnen? Und sie wussten nicht, was dort vorgegangen war? Sollte ich das allen Ernstes glauben?
    Â»Die Klinik auf Tronal gibt es schon lange«, fuhr Duncan fort. »Diese Sache mit Gair, das ist einfach so was wie… der faule Ast eines Baums. Auf Tronal ist seinerzeit vielen Frauen geholfen worden, vielen Familien hier aus der Gegend.«
    Gifford hatte die Tür unseres Kühlschranks geöffnet. Da er leer war, drehte er sich zu uns um. »Die meisten Babys, die hier zur Welt kommen, werden auf normalem Weg adoptiert, ganz legal«, sagte er. »Die meisten Leute, die in der Klinik arbeiten, hatten wahrscheinlich keine Ahnung von dem, was Gair und Dunn da abgezogen haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Richard nichts davon wusste.« Er öffnete einen Schrank, schloss ihn wieder.
    Â»Ich verstehe immer noch nicht, warum ihr die Klinik gerettet habt. Warum war euch das wichtig?«
    Kenn öffnete einen weiteren Schrank. »Herrgott noch mal, habt
ihr beide eigentlich schon mal was von Supermärkten gehört?« Er gab auf und kam zum Tisch zurück.
    Â»Weil wir dort geboren worden sind«, antwortete Duncan. Er wartete eine Weile, ließ mir Zeit, das zu verdauen. »Wir waren beide Tronal-Babys. Adoptiert von Familien auf den Inseln. Dunn auch. Bei den anderen bin ich mir nicht sicher.«
    Ich starrte Duncan an. »Elspeth und Richard sind gar nicht deine Eltern?«
    Â»Elspeth konnte keine Kinder bekommen«, erwiderte Duncan. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Richard schon«, fügte er hinzu und sah Kenn an.
    Â»Richard ist mein Vater«, bemerkte Kenn.
    Ich stellte fest, dass mir dazu nichts einfiel.
    Â»Richard und Elspeth haben mehrere Jahre lang versucht, Kinder zu bekommen«, erklärte Kenn. »Während dieser Zeit war ihre Beziehung wohl ziemlich gespannt. Richard hatte eine Affäre mit einer Assistenzärztin in der Klinik. Sie hat ihr Baby auf der Entbindungsstation von Tronal gekriegt und mich zur Adoption durch die Giffords freigegeben. Drei Jahre später hat Elspeth endlich das Handtuch geworfen und sich auch bereit erklärt, ein Kind zu adoptieren. Duncan war vier Monate alt und, wie man mir versichert hat, ein entzückender Säugling.«
    Â»Ihr zwei seid Brüder?« Ich schaute von einem zum anderen.
    Gifford zuckte die Achseln. »Na ja, nicht im biologischen Sinn, aber, ja, ich hatte immer das Gefühl, dass wir verwandt sind.«
    Duncans Miene verfinsterte sich.
    Â»Wieso haben sie Sie nicht adoptiert?«, fragte ich Kenn.
    Â»Elspeth weiß nichts von mir. Ich habe selbst erst mit sechzehn erfahren, wer mein leiblicher Vater war. Ich war allerdings nicht überrascht.«
    Nein, er war bestimmt nicht überrascht gewesen. Warum war ich bisher noch nicht auf diesen Gedanken gekommen? Ich hatte die deutliche Ähnlichkeit zwischen Richard und Kenn gesehen, die Abneigung zwischen Duncan und Kenn, die kühle Förmlichkeit, die die Beziehung zwischen Duncan und seinen Eltern
prägte, doch ich hatte niemals alle Einzelteile zusammengefügt. Kenn, der Arzt, der leibliche Sohn, der Sohn im Geiste; Duncan, das arme Findelkind, aufgenommen, um Elspeth zufriedenzustellen. Armer Duncan. Armer Kenn, wenn man es recht bedachte. Was für ein Durcheinander.
    Â 
    Eine Stunde später war ich immer noch zu Hause. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass ich eine Nacht in einem Hotel wirklich nicht ertragen konnte. Constable Jane nächtigte auf Helens ausdrückliche Order hin in einem unserer Gästezimmer. Duncan war mit Nachdruck in dem anderen einquartiert worden. Nicht weil ich ihm nicht alles glaubte, was er mir erzählt hatte. Tatsächlich glaubte ich ihm durchaus; ich wollte mit Helen darüber reden, das alles überprüfen lassen, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto überzeugter war ich, dass die Lügen hinter mir lagen und ich endlich die meisten Antworten kannte.
    Ich duschte lange, wusch mir zweimal die Haare und putzte mir dann die Zähne. Es war schön, wieder in einem Badezimmer zu sein. Trotz meines Nickerchens in der Polizeizelle in Dundee fühlte ich, wie meine Augenlider schwer wurden. Dann erblickte ich Duncans Toilettenbeutel auf dem Badezimmerregal und war plötzlich wieder hellwach. Nein, ich hatte doch noch nicht alle Antworten bekommen.
    Ich ging über den Flur und stieß die Tür des Gästezimmers auf. Duncan lag auf dem Bett und hatte einen

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