Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
eine lebendige Frau einfach so verschwinden und überzeugt gleichzeitig alle ihre Angehörigen davon, dass sie tot ist? Wie feiert man eine Beerdigung mit einem leeren Sarg? Hatte denn niemand jemals einen letzten verstohlenen Blick riskiert und einen mit rosa Seide ausgeschlagenen Sarg voller Ziegelsteine vorgefunden?
    Ich hatte das Erdgeschoss erreicht und war völlig außer Atem. Lächerlich. Keuchend hielt ich einen Moment lang inne.
    Sie konnten nicht für alle Frauen Ebenbilder – das Äquivalent der todkranken Cathy Morton – gehabt haben. Es war undenkbar, genug schwerkranke Frauen aufzutreiben. Der Tausch Cathy/ Melissa musste ein ganz besonderer Fall gewesen sein. Ich landete wieder bei Hypnose und Drogen, bei der Beteiligung von genügend Menschen, um sicherzustellen, dass die Vorgänge niemals hinterfragt wurden: Der Arzt würde die Medikamente verabreichen, den Tod feststellen, die Familie trösten; der Pathologe würde die Formulare ausfüllen, Autopsieberichte für Leichen schreiben, die nicht existierten. Verwandte würden – unter allen möglichen Vorwänden – davon abgehalten werden, die Leichname in Augenschein zu nehmen.
    Ich befand mich wieder auf meinem Stockwerk.
    Kirsten. Die arme Kirsten, eine Reiterin wie ich. Ich hatte neben ihrem Grab gekniet und die Frühlingsblumen gebündelt und großes Mitgefühl empfunden, der Art und Weise wegen, wie sie ums Leben gekommen war. Doch sie lag gar nicht dort unten, sondern noch immer in meiner Wiese, der wahren Begräbnisstätte, sie musste dort sein. Die Sucherei mit all den Instrumenten war Humbug gewesen – selbst die letzte, erst heute durchgeführte Suche. Detective Superintendent Harris war dabei gewesen … nun, es wäre interessant, in Erfahrung zu bringen, wo und wann er geboren wurde.

    Ganz kurz fragte ich mich, ob es mir wohl gelungen war herauszufinden, wo Stephen Gair seine Babys herbekommen hatte. Nur dass es noch immer nicht hinkam. Die Zahlen, um die es ging – ein Durchschnitt von nur zwei pro Jahr –, schienen immer noch viel zu klein, um solche Einkünfte zu erzielen, wie Helen und ich sie entdeckt hatten. Außerdem waren die Babys, denen ich Namen geben konnte – Duncan, Kenn, Andy Dunn, Connor Gair –, alle hier auf den Inseln adoptiert worden. Es konnte sehr gut möglich sein, dass es anderen ebenso ergangen war. Vielleicht war Geld geflossen, doch das konnte die gewaltigen Summen nicht erklären – mehrere Millionen im Jahr –, die aus dem Ausland eingingen. Und bestimmt wäre es doch ein viel zu großes Risiko, Frauen zu entführen, sie gefangen zu halten und zu ermorden, bloß um ihre Babys an den Meistbietenden zu verscherbeln. Nein, was für ein Motiv diese Menschen auch immer hatten, es musste mehr sein als Geld. Die Babys, die verkauft wurden, kamen woanders her.
    Â 
    Mein Büro sah genauso aus, wie ich es zurückgelassen hatte. Der Kaffee war durchgelaufen; ich schenkte mir einen Becher voll ein und verschüttete dabei gut ein Viertel. Ich musste mich zusammenreißen. Das Telefon musste schon eine ganze Weile geklingelt haben, ehe ich den Hörer abnahm.
    Â»Ich wollte es gerade bei Ihnen zu Hause versuchen.« Es war Helen. Ich konnte es ihr noch nicht erzählen. Wenn ich jetzt den Mund aufmachte, würde ich faseln wie eine Idiotin.
    Â»Wo sind Sie?«, brachte ich hervor.
    Â»Wir fahren gerade von Tronal ab. Mann, der Wind legt ganz schön zu. Können Sie mich hören?«
    Ein Aufblitzen von Panik, so scharf, dass es fast schmerzhaft war. Ich hatte vergessen, dass Helen nach Tronal gefahren war. »Helen! Ist alles okay? Wer ist bei Ihnen?«
    Â»Tora, es ist alles in Ordnung. Was ist los? Was ist denn passiert?«
    Â»Nichts, gar nichts, bin nur müde.« Ich befahl mir, ganz ruhig zu bleiben. Lange, tiefe Atemzüge. »Wie war’s denn?«

    Â»Nicht gerade viel los hier. Nur ein paar Frauen, die meisten haben geschlafen. Ein paar Babys auf der Säuglingsstation. Morgen früh fahren wir noch mal hin. Ich bleibe ein paar Tage auf Unst.«
    Â»Sehen wir uns bald?«
    Sie schwieg einen Augenblick. Im Hintergrund hörte ich die Schiffsmaschine und das Pfeifen des Windes. »Ist wirklich alles okay?«, fragte sie endlich.
    Â»Alles bestens«, versicherte ich und dann, weil das nicht zu genügen schien: »Ich wollte

Weitere Kostenlose Bücher