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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Zustände draußen auf See betraf.
    Ich fand das Segelboot, kletterte an Bord und schloss die Kajüte auf, nur um von lähmender Angst ergriffen zu werden. Ich zwang mich mit aller Macht, mich darauf zu konzentrieren, das Boot auslaufbereit zu machen, immer einen Schritt nach dem anderen. Wenn ich etwas nicht schaffte, dann wäre dies das Zeichen aufzugeben. Ich brachte die Fock an Ort und Stelle, klinkte erst Fall und Vorschot ein, dann das Großfall und löste den Baumniederholer. Ich überprüfte Treibstoff und Instrumente. Obwohl ich jeden Augenblick damit rechnete, empörtes Gebrüll zu vernehmen,
war ich schneller fertig als erwartet. Und ruhiger war ich auch geworden. Ein bisschen.
    Unser Freund hatte Seekarten der Umgebung an Bord, und ich studierte diese eine Weile. Vom Yachthafen bei Gutcher aus konnte ich ungefähr eine Meile direkt nach Südosten segeln, hinter einer kleinen, unbewohnten Insel namens Linga verborgen. Wenn ich an ihr vorbei war, würde ich meinen Kurs ändern und in westlicher Richtung direkt auf Tronal zuhalten. Es gab Klippen am westlichen Rand der Insel, aber auch einen Abschnitt mit sanft abfallendem Strand. Ich würde ankern können – falls ich so weit kam.
    Ich sagte mir jetzt oder nie, warf die Heckleine los, machte einen Slipknoten in die Bugleine und warf den Motor an. Dann legte ich den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam aus dem Hafen. Niemand sah mich und, wenn doch, so rief niemand mich an oder schlug Alarm.
    Als ich den Hafen verließ, krachte eine Welle von Steuerbord über den Bug und schlug mir ins Gesicht. Ich hatte nicht gedacht, dass es so kalt sein würde. Rasch stülpte ich meine Kapuze über und zog die Schnur fest.
    Dichte Wolken bedeckten den Himmel, und die Dunkelheit senkte sich schnell herab. Ich hatte die Karte in eine Plastikhülle geschoben und sie ans Instrumentenbrett gehängt; ziemlich bald, wenn die Sicht gegen null ging, würde ich sie alle paar Minuten zurate ziehen müssen. Ich wendete das Boot scharf nach Steuerbord und befand mich in dem Kanal zwischen Linga und Yell. Jetzt kamen Wellen direkt von vorn. Alle paar Sekunden – wumm! – krachte ich frontal gegen eine, und die eiskalte Gischt spritzte über den Bug. Bald war ich völlig durchnässt.
    Die Lichter von Gutcher blieben hinter mir zurück. Zu beiden Seiten ragte das Land wie ein dunkler Schatten empor. Der kleine Motor schaffte mit Mühe vier Knoten und war viel zu laut. Wenn ich Tronal in weniger als einer Stunde erreichen und nicht gehört werden wollte, würde ich segeln müssen. Ich machte mich daran, das Großsegel zu setzen. Sofort fing das Boot an, sich auf die Seite zu legen.

    Ich brauchte jedes Quäntchen Mut, das ich besaß, um die Fock zu setzen, doch ich wusste, dass ich ohne sie nicht genug Stabilität haben würde. Ich entrollte sie ungefähr zur Hälfte. Die Segel füllten sich, das Boot wurde schneller, und ich schaltete den Motor aus.
    Binnen weniger Minuten hatte das Boot eine Geschwindigkeit von sieben Knoten erreicht und krängte in einem Winkel von dreißig Grad. Ich stemmte mich gegen die Bordwand, um mich aufrecht zu halten, während das Boot gegen Wellen knallte, die sich anfühlten wie Ziegelmauern. Doch ich kam voran und hatte alles unter Kontrolle. Gerade eben.
    Ich duckte mich ins Cockpit. Jede starke Böe drohte das Boot auf die Seite zu drücken. Mit einer Hand umklammerte ich die Ruderpinne, mit der anderen die Großschot. Jedes Mal, wenn ich spürte, wie das Ruder weggedrückt wurde, fierte ich die Schot ein wenig weg, nahm so die Spannung aus dem Großsegel und klammerte mich fest, bis das Boot sich wieder aufgerichtet hatte.
    Viel zu schnell hatte ich die Südspitze von Linga erreicht und musste den geschützten Kanal verlassen. Ich schlug das Ruder nach Backbord ein und richtete die Segel neu aus. Der Wind kam jetzt raumschots von Backbord, also schräg von achtern, und das Boot hörte auf zu krängen und richtete sich wieder auf. Die Segel füllten sich, und die Geschwindigkeit nahm zu. Siebeneinhalb, acht, achteinhalb Knoten. Bei diesem Tempo würde ich Tronal im null Komma nichts erreichen, vorausgesetzt, dass ich nicht halste.
    Und was zum Teufel würde ich dort vorfinden?
    Helen hatte sich geirrt. Helen war eine hervorragende Polizistin und hatte getan, wozu sie ausgebildet worden war: Sie hatte sich an die

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