Todesopfer
der Klinik hätte und lange arbeiten würde. Dann hatte ich noch hinzugefügt, dass ich ihn liebe; zum Teil, weil es die Wahrheit war, zum Teil, weil ich mir nicht sicher war, ob ich ihm das jemals wieder würde sagen können.
Kleine Kreaturen tanzten Samba in meinem Magen, als die Fähre anlegte und ich mich wieder auf den Weg machte. Ich hatte noch ein ziemliches Stück zu fahren, doch das war nur gut so. Für das, was ich plante, brauchte ich Dunkelheit und ein bisschen mehr Zeit, um genug Mut zu fassen. Andererseits, wenn ich zu viel darüber nachdachte, würde ich definitiv kneifen.
Eine kleine Versicherung hatte ich abgeschlossen, indem ich das Verzeichnis aus dem Keller, mehrere Computerausdrucke und einen hastig hingekritzelten Zettel in einen braunen Umschlag gesteckt
hatte. Auf dem Weg zur Fähre hatte ich bei Danas Haus Halt gemacht und ihn weithin sichtbar auf dem Kühlschrank in der Küche liegen lassen. Irgendwann innerhalb der nächsten paar Tage würde Helen ihn finden. Wenn ich nicht zurückkam, würde sie wissen, wohin ich gefahren war, und warum. Ich würde nicht spurlos verschwinden.
Helen und ihr Team hatten den GroÃteil des Tages auf Tronal verbracht und übernachteten ganz in der Nähe auf Unst. Die Leute auf Tronal würden wachsam sein. Alles, was sie zu verbergen hatten, würde gut versteckt sein. Sie würden das Meer im Osten und im Nordosten der Insel im Auge behalten; alle Boote, die von Unst ablegten, würden rasch entdeckt und die Warnung rechtzeitig weitergegeben werden. Ich konnte nicht darauf hoffen, mich der Insel aus dieser Richtung unentdeckt zu nähern.
Also würde ich es gar nicht erst versuchen.
In Gutcher auf Yell gibt es einen kleinen Segelklub dicht am Kai. Er hat ungefähr zwanzig Mitglieder auf der Insel und ist an den benachbarten Klub auf Unst angeschlossen. Ich besaà einen Schlüssel, mit dem ich, wie ich wusste, in den Schuppen gelangen konnte, der als Klubhaus diente. War ich erst einmal dort drin, würde ich den Schrank aufbrechen, in dem die Ersatzschlüssel für die Boote verwahrt wurden. Das war der einfache Teil.
Danach würde ich im Dunkeln ein fremdes Boot auftakeln und es bei Windverhältnissen, die an Sturmstärke grenzten, allein durch ein Gebiet segeln müssen, das ich kaum kannte, zu einer Küste, die für tückische Navigationsverhältnisse berüchtigt war. Und das war noch nicht einmal der schwierige Teil.
GroÃer Gott, was dachte ich mir eigentlich?
Ich parkte. Zu meiner Erleichterung und gleichzeitigen Enttäuschung war der Parkplatz leer und das Klubhaus dunkel. Alles, was sich in diesem Stadium als Problem herausgestellt hätte, hätte ich als Zeichen aufgefasst, nicht weiterzumachen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, den Schrank aufzubrechen und die Schlüssel zu finden. Ich nahm Ãlzeug und eine Schwimmweste mit und ging hinunter zum Steg.
Duncan und Richard hatten einen Freund auf Yell, der ein begeisterter Segler war. Vor kurzem hatte er sich eine dieser neuen Sportjollen zugelegt und Duncan und mich mehrmals mitgenommen. Es war ein Sportsegelboot, für Geschwindigkeit gebaut, jedoch mit einem langen Schwert, das ihm mehr Stabilität verlieh als einer durchschnittlichen Jolle. AuÃerdem verfügte es über einen Motor, für den Fall, dass einem der Wind nicht wohlgesonnen war, eine kleine überdachte Kajüte für schlechtes Wetter und einen Anker, so dass man auf See parken konnte.
Ich war im Begriff, schweren Diebstahl der Liste der Dinge hinzuzufügen, die die Polizei und andere Inselbehörden mir vorhielten. Aber egal, vielleicht würde ich ja gar nicht mehr am Leben sein, um mich den Anklagen zu stellen.
Der Steg, der mindestens fünfzig Jahre alt war, schaukelte unter mir. Der Wind zerzauste mein Haar, und ich schätzte, dass er auf Stärke sechs angewachsen war. Noch mehr, und ich würde auf höchst unkluge Weise mein Leben riskieren. Wahrscheinlich tat ich das ohnehin schon.
Yachthäfen sind niemals ruhig, und wenn starker Wind über sie hinwegpfeift, kann der Krach wirklich nervenaufreibend sein. Mehrere Boote waren an dem Steg festgemacht, und ihre Takelagen klirrten und dröhnten wie ein Haufen verstimmter Gitarren. Einige polterten gegeneinander, und selbst im relativen Windschutz des Anlegers klatschten kleine Wellen aggressiv gegen die Bootsrümpfe. Kein gutes Zeichen, was die
Weitere Kostenlose Bücher