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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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die Lichter von Uyeasound. Die Motoryacht lag noch immer am Kai. Die Kabinenbeleuchtung war an, und das aufgewühlte Wasser am Heck zeigte an, dass die Maschinen liefen.
    Der Wind blies noch immer ziemlich heftig; er übertönte alle Geräusche, die vielleicht von dem Boot her zu hören gewesen wären, doch ein paar der dunklen Wolken waren fortgeweht worden und ließen eine Mondsichel und ein paar Sterne erkennen. Die Sicht war besser als bei meiner Ankunft auf der Insel, und ich konnte die Ziffern auf meiner Uhr erkennen. Halb zwölf. Ich rannte zum Kai hinunter und duckte mich tief neben der Seite des Motorboots. Es war an Backbord festgemacht, mit Bug- und Heckleine. Ich schlich zum nächsten Kabinenfenster und spähte
hindurch. Es war die Hauptkajüte. Ein Steuerrad, ein Armaturenbrett, ein Kartentisch und drei weitere Türen, die hinausführten. Keine Spur von Richard. Ich huschte weiter und schaute durch die Luke einer kleinen Schlafkajüte. Dana lag auf der Koje, regungslos, doch sie war nicht allein in der Kajüte. Ich konnte die Spitze eines blank geputzten schwarzen Herrenschuhs sehen und ein paar Zentimeter anthrazitgrauen Hosenstoff. Gott sei Dank, Duncan war bereits an Bord. So behutsam wie möglich zog ich mich hoch und schwang ein Bein über die Reling. Das Boot schaukelte kaum wahrnehmbar.
    Â»Ist da oben jemand?«, rief mein Schwiegervater von unten.
    Sportboote sind nicht gerade übermäßig mit Verstecken gesegnet. Verzweifelt blickte ich mich um und sah nur einen Ausweg – über Bord zu springen und nach Unst zu schwimmen. Jemand bewegte sich unter Deck, kam den Niedergang herauf.
    Auf dem Kajütendach lag eine Persenning, die dazu diente, das Cockpit bei schlechtem Wetter vor Spritzwasser zu schützen. Ich kletterte hinauf, legte mich hin und verkroch mich in ihren Falten. Das Boot schaukelte, als Richard die Kajütentreppe hinaufstieg. Ich konnte nichts sehen, doch ich wusste, dass er oben stand und sich umschaute, verdutzt, niemanden vorzufinden. Er musste höchstens einen halben Meter von mir entfernt sein. Ich hielt den Atem an und betete, dass die Persenning mich ganz bedeckte und ihm nicht auffiel, dass sie ausgebeulter wirkte als sonst.
    Unten erwachte das Funkgerät knisternd und rauschend zum Leben: »Raubmöwe , bitte kommen, Raubmöwe, bitte kommen, Basis hier.« Richard stieg wieder hinunter. Ich hoffte, dass der Wind ein wenig abflauen würde, gerade genug, damit ich hören konnte, was vor sich ging.
    Wieder knisterte das Funkgerät, ich glaubte, das Wort »Keller« und ein paar Schimpfwörter zu hören, war mir jedoch nicht sicher. Dann antwortete Richard.
    Â»Alles klar, verstehe. Ich werde mich vorsehen. Ich fahre jetzt los. Raubmöwe Ende.«
    Unter mir setzte Richard sich von Neuem in Bewegung. Eine
Kabinentür öffnete und schloss sich, dann hörte ich, wie er hinaufstieg. Ich zählte sieben Schritte, und dann war er im Cockpit. Schwerfällig kletterte er zuerst auf den Sitz und dann an Deck. Ich hörte, wie er nach vorn ging, und dann das gleitende Geräusch, mit dem die Bugleine losgeworfen wurde. Sofort schwang das Boot herum, die Strömung trug es vom Kai fort. Dann kam Richard wieder das Deck entlang, ging zum Heck. Ich wartete, bis er stehen blieb, und dann riskierte ich es, über die Persenning hinwegzuspähen. Er stand tief gebückt da, mit dem Rücken zu mir, löste die Heckleine von der Klampe. War die Leine erst einmal los, würde das Boot rasch vom Kai abtreiben und er in die Kajüte hinuntereilen müssen, um uns von Tronal fortzusteuern. Das war meine beste Chance. Mich von hinten an ihn heranschleichen, ihm mit aller Kraft einen Stoß versetzen, so dass er über Bord ging. Dann wäre es für Duncan und mich ein Leichtes, das Boot nach Uyeasound zu steuern.
    Zu spät. Richard machte Anstalten, sich umzudrehen. Ich duckte mich wieder.
    Das Boot trieb rasch vom Anleger fort. Richard schritt durchs Cockpit und stieg den Niedergang hinab. Dann hörte ich die Maschinen aufheulen, und das Boot schwang nach Steuerbord herum. Ich schaute auf, versuchte, mich zu orientieren. Vor uns nichts als Schwärze. Hinter mir wurden die Lichter von Uyeasound kleiner. Wir fuhren nach Osten, den Skuda Sound hinunter, auf die Nordsee hinaus.
    Richard schonte die Maschinen nicht. Wir jagten mit sieben oder acht Knoten dahin. Rhythmisch schlugen Wellen

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