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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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hast keine Ahnung, mit wem wir es zu tun haben. Diese Leute haben Einfluss, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Selbst wenn die uns am Leben lassen, niemand wird uns glauben. Wir brauchen Dana und die anderen lebendig.«
    Er hatte natürlich recht. »Und was willst du machen?«
    Â»Ich gehe runter zum Hafen und dann mit auf das Boot. Richard fährt allein raus, mit ihm werde ich fertig. Ich warte, bis wir auf See sind, und knalle ihm eins auf den Hinterkopf. Dann fahre ich das Boot nach Uyeasound zurück. Wenn ich Glück habe, wartet dann deine Freundin Helen da auf mich.«
    Â»Ich liebe dich so«, sagte ich.
    Er brachte ein Lächeln zustande. Dann zog er mich quer durch den Raum und durch eine Tür am hinteren Ende. Das Zimmer dahinter war dunkel. Wir schlüpften hinein und schlossen die Tür. Wir befanden uns in einem Kinderzimmer. Sechs weiß gestrichene hölzerne Babybettchen standen entlang der Wände. Zeichentrickfiguren
waren auf die weiß getünchten Wände gemalt worden, Mobiles schaukelten sachte von der Decke, Stofftiere – Teddybären und schlappohrige Kaninchen – starrten uns von den Regalen herab an. Wickeltische und Geräte zum Sterilisieren, eine Babybadewanne. Es war alles so unheimlich, entsetzlich normal.
    Die Kinderbettchen, im Augenblick unnötig, waren alle bis auf die nackte Matratze abgezogen. Als ich sie anstarrte, wurde mir so vieles klar. Seit ich von Tronal gehört hatte, hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie eine Entbindungsklinik existieren konnte, wenn man bedachte, wie wenige Babys hier angeblich jedes Jahr geboren wurden. Jetzt wusste ich, dass die offiziell registrierten Babys lediglich der Deckmantel für die finsteren Aktivitäten auf der Insel waren.
    Die Klinik war gebaut worden, um die Geburten der Söhne der Trows zu erleichtern. In den Zimmern oben wurden die entführten Frauen – oft unter Drogen gesetzt oder gefesselt – für die gesamte Dauer ihrer Schwangerschaft untergebracht. Wenn es nicht nötig war, sie einzusperren, wenn sich keine Außenseiter auf der Insel befanden, wurde den Frauen vielleicht sogar eine gewisse Freiheit gewährt, denn Tronal war eine uneinnehmbare Festung. Wie viele schwangere Frauen würden es riskieren, einen knappen Kilometer durch raue See zu schwimmen? Wenn sie natürlich wüssten, dass ihnen kurz nach der Entbindung absonderliche nordische Zeichen ins Fleisch geritzt und bei lebendigem Leibe das Herz herausgeschnitten werden würde, dann, so dachte ich mir, würden es einige vielleicht darauf ankommen lassen.
    Die etwa sechs Babys von diesen Frauen wurden von Trow-Männern und ihren Frauen adoptiert, die zuvor, so wie Duncan und ich, davon abgebracht worden waren, selbst Kinder zu bekommen. Damit die Babys legal waren, wurden die Adoptivmütter als leibliche Mütter registriert und standen als solche in der Geburtsurkunde. Hieß das, diese Adoptivmütter, die Ehefrauen jener Männer, waren in dieses Treiben eingeweiht? Wusste Elspeth die Wahrheit über Duncans Geburt? Nicht gerade eine Frage, über die ich länger nachdenken wollte.

    Duncan und ich eilten durch das Kinderzimmer auf eine Tür am gegenüberliegenden Ende zu und blieben lauschend stehen. Nichts. Wir öffneten die Tür und betraten einen Lagerraum, in dem weitere hölzerne Kinderbettchen auseinandergenommen an einer Wand lehnten. Zusammengeklappte Buggys standen an einer anderen. Zwei weitere Türen, eine führte auf den Korridor, die andere ins Freie. Duncan ging auf die Außentür zu und stieß sie auf. Ein Schwall kalter Luft strömte herein, als er sich hinausbeugte und sich sorgfältig umsah. Irgendwo im Innern der Klinik hörte ich Stimmen, doch keine davon schien nahe zu sein.
    Doch die Trows zeugten nur jedes dritte Jahr Kinder. Die Babys, die legal zur Adoption freigegeben wurden, waren nicht eben zahlreich. Den Rest der Zeit über hätte Tronal Leerlauf gehabt. Also waren die geschäftstüchtigen Trows auf eine andere Nutzungsmöglichkeit für die Klinik verfallen: als Einrichtung für gesetzeswidrig späte Abtreibungen. Indem sie sich eines Netzwerkes aus Krankenhäusern, Zentren für Familienplanung und Abtreibungskliniken in ganz Europa bedienten, um verzweifelte Frauen auf sich aufmerksam zu machen, und ihre Dienste als »Beratung« verbrämten, hatten sie wahrscheinlich eine

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