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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Überlebenschancen, und Babys, die in diesem Entwicklungsstadium zur Welt kamen, sind schon öfter zu normalen, gesunden Kindern herangewachsen. Und doch werden Föten in der vierundzwanzigsten Woche routinemäßig abgetrieben.
    Jeden Tag, den ein Fötus im Mutterleib verbleibt, wird er kräftiger und lebensfähiger. In der sechsundzwanzigsten Woche sind seine Überlebensmöglichkeiten erheblich besser als in der vierundzwanzigsten. Hat er die achtundzwanzigste Woche erreicht, stehen seine Chancen ziemlich gut.
    Am nächsten Tag würde Emma von ihrem achtundzwanzig Wochen alten Fötus entbunden und dieser in aller Eile in einen dieser Brutkästen gebracht werden. Emma würde zu ihrer Bühnenkarriere zurückkehren, erleichtert und dankbar, und glauben, dass ein Schwangerschaftsabbruch stattgefunden hatte. Der Säugling würde hierhergebracht und ein paar Monate lang intensiv betreut werden. Falls sein Gehirn, seine Lungen und andere wesentliche Organe gesund blieben und sich normal entwickelten, würde er ohne Zweifel bei einer Internetauktion einen hohen Preis erzielen. Emmas »Abbruch« war fünf Tage hinausgezögert worden. Ich vermutete, dass dies das übliche Verfahren bei allen Frauen war, die hierherkamen, um eine Spätabtreibung vornehmen zu lassen. So hatte der Fötus ein wenig mehr Zeit zu wachsen und sich zu entwickeln; außerdem konnte das Klinikteam der Patientin auf
diese Weise Steroide verabreichen, um die fötale Lungenentwicklung zu fördern.
    Noch vor vierundzwanzig Stunden hätte ich gesagt, dass dies das Widerlichste sei, was ich jemals gehört hatte. Jetzt, da ich wusste, was diese Kerle mit Dana und den anderen vorhatten, was sie schon so vielen Frauen angetan hatten, konnte ich nicht behaupten, wirklich überrascht zu sein.
    Ich wandte mich an Duncan. »Wie lange weißt du das schon?«
    Sein Blick hielt dem meinen stand. »Das hier? Das mit den Frühchen? Erst seit ein paar Wochen.«
    Â»Und den Rest?«
    Â»Seit ich sechzehn bin«, antwortete er. »Sie sagen es uns am sechzehnten Geburtstag.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Aber ich habe es nicht geglaubt, Tora. Oder ich habe mir eingeredet, dass ich es nicht glaube. Deshalb habe ich die Shetlands verlassen. Ich bin zum Studieren weggegangen und nicht ein einziges Mal in all den Jahren jemals nach Hause gefahren, nicht mal fürs Wochenende. Vor heute Nacht habe ich niemals einen Fuß auf diese Insel gesetzt, ich schwör’s.«
    Duncan war ein guter Lügner. Das hatte ich in den letzten Tagen herausgefunden. Doch irgendwie glaubte ich ihm jetzt.
    Â»Aber wir sind zurückgekommen. Du wolltest doch zurückkommen. Wieso?«
    Â»Ich wollte nicht zurück«, fuhr er mich an. »Sie haben gedroht, dich umzubringen, wenn ich nicht zurückkomme. Alle Kinder umzubringen, die wir beide kriegen würden. Ich musste diese Scheißtabletten nehmen. Wenn du schwanger geworden wärst, hätten sie dir …«
    Er konnte den Satz nicht vollenden. Doch das brauchte er auch nicht. »Mir das Herz herausgeschnitten?«, fragte ich.
    Er nickte. Ich konnte die Knochenstruktur seines Gesichts erkennen, sah die dunkelvioletten Schatten um seine Augen, und zum ersten Mal begriff ich, was Duncan während der letzten Monate durchgemacht hatte. Womit er den größten Teil seines Lebens hatte fertig werden müssen.

    Â»Deine Mutter hatte gar keine MS?«
    Â»Meine Mutter war kerngesund, bis die sie in die Finger gekriegt haben.«
    Ich griff nach seiner Hand, erschrak, wie kalt sie war. »Was sollen wir tun?«
    Er warf einen schnellen Blick zur Tür, als könnte uns gerade jetzt jemand beobachten. »Du gehst zurück zu deinem Boot, wie ich es dir gesagt habe.«
    Â»Du auch. Komm mit.«
    Einen Augenblick lang dachte ich, er würde zustimmen. Dann schüttelte er den Kopf. »Wenn ich mit dir gehe, sterben die anderen Frauen. Sobald wir Alarm schlagen, schmeißt Richard sie alle über Bord. Er wird behaupten, er war die ganze Nacht beim Fischen draußen, und wer soll das Gegenteil beweisen?«
    Â»Wir. Wir haben doch alles gesehen.« Ich bin nicht stolz darauf, aber ich glaube, in diesem Moment hatte ich zu viel Angst, als dass es mich wirklich kümmerte, was aus Dana und den anderen beiden Frauen wurde. Alles, was ich wollte, war, dass Duncan und ich von dieser Insel wegkamen.
    Â»Tora, du

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